6 Ideen für mehr Talente in der Wirtschaftsprüfung

Werte & Vision
19. November 2024

Laut Wirtschaftsprüferkammer sind zwei Drittel der Prüfer*innen über 50 Jahre und nur 1,5 Prozent unter 30 Jahre alt. Die Zahlen zeigen: Trotz möglicher Effizienzsteigerungen durch Künstliche Intelligenz droht der Branche ein massives Fachkräfteproblem. Lässt sich der Beruf für Jüngere attraktiver machen? Wir hätten dazu ein paar Vorschläge.

1. Attraktivität für Frauen erhöhen

Laut einer Statistik der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) vom Januar 2024 ist nicht einmal jede*r fünfte Wirtschaftsprüfer*in weiblich. Auch bei den 700 Personen, die jedes Jahr das Wirtschaftsprüferexamen ablegen, liegt der Frauenanteil nur bei rund 20 Prozent. Wer mehr Nachwuchskräfte für die Branche gewinnen will, hat also bei Frauen jede Menge Potential. Um die Attraktivität der Branche speziell für weibliche Talente zu steigern, muss zuallererst die Vereinbarkeit von Beruf und Familie bzw. anderen privaten Zielen verbessert werden.

Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist ein zentrales Thema, das in der heutigen Arbeitswelt zunehmend an Bedeutung gewinnt. Besonders für Wirtschaftsprüferinnen gibt es mittlerweile zahlreiche Möglichkeiten, Beruf und Lebensplanung in Einklang zu bringen. Eine dieser Möglichkeiten ist die Teilzeitarbeit, die es ermöglicht, berufliche Verpflichtungen und familiäre Aufgaben besser zu koordinieren. Um Teilzeit verstärkt in der Branche zu etablieren, bräuchte es nichts weniger als einen Bewusstseinswandel – und das nicht nur bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPGs), sondern auch bei den Mandanten. Frauen in Führungspositionen könnten diesen Bewusstseinswandel anführen, aber dafür bräuchte es genau das: mehr Frauen in Führungspositionen. Auch hier hat die Branche einen gewissen Nachholbedarf. Dabei könnten entsprechende Role Models jüngere, karriereaffine Frauen für eine Laufbahn als Wirtschaftsprüferin begeistern.

Wirtschaftsprüfer*innen arbeiten laut Gesetz eigenverantwortlich, was ihnen eine gewisse Flexibilität in der Gestaltung ihrer Arbeitszeit ermöglicht. Diese Flexibilität kann genutzt werden, um Arbeitszeiten so zu planen, dass sie besser mit familiären Verpflichtungen vereinbar sind. Auch wenn die Eigenverantwortlichkeit bedeutet, dass bestimmte Aufgaben nicht einfach auf andere übertragen werden können, so bietet sie doch die Chance, die Arbeitszeit individuell zu gestalten.

2. Den Talenten die Prüfungsangst nehmen

Das Wirtschaftsprüferexamen gilt als eine der härtesten Prüfungen überhaupt, seine Durchfallquoten sind legendär. Viele Absolvent*innen fühlen sich davon und von den Erzählungen darüber verängstigt und entscheiden sich daher für einen anderen Karriereweg. Dabei hat die WPK in den vergangenen Jahren einiges getan, um dem Examen zumindest den ganz großen Schrecken zu nehmen. So sind die Klausurfragen heute spezifischer gestellt und in mehrere Aspekte gegliedert. Das macht die Klausuren berechenbarer und gibt den Examinand*innen bei der Beantwortung eine gewisse inhaltliche Richtung vor.

Eine enorme Erleichterung brachte 2019 zudem die Einführung der Modularisierung des Wirtschaftsprüferexamens. Die Module entsprechen vier Themengebieten, in denen die Kandidat*innen eine mündliche und eine bis zwei schriftliche Prüfungen abzuleisten haben. Bis 2018 mussten die Kandidat*innen die Prüfungen alle in einem Block absolvieren, eine Erleichterung gab es nur, wenn sie vorher bereits das Steuerberaterexamen absolviert hatten. Heute können die Kandidat*innen ihre Prüfungen hingegen über einen Zeitraum von sechs Jahren aufteilen. Das passt deutlich besser zu den Bedürfnissen der jungen, individuell denkenden Generation. Zudem können sich die Teilnehmer*innen ihre Rechts- bzw. BWL-Klausur anrechnen lassen, wenn sie bestimmte Studiengänge an ausgewählten Universitäten studiert haben – eine echte Erleichterung.

Die Anpassungen hatten durchaus ihre Wirkung: Während bei der ersten Prüfung im Jahr 2024 rund 68 Prozent der Teilnehmer*innen bestanden, schafften dies im ersten Halbjahr 2018 nur 56 Prozent. Vor zwanzig Jahren sah es noch schlechter aus: Nur 52 Prozent der Kandidat*innen bestanden beim ersten Termin 2004 das Examen. Es gilt also, weniger die abschreckenden Geschichten von damals zu verbreiten, sondern die Good news aus unseren Tagen: 68 Prozent bestehen das Wirtschaftsprüferexamen – das sind mehr als zwei Drittel der Kandidat*innen.

3. Die Vielfalt des Berufs aufzeigen.

Wirtschaftsprüfer*innen auditieren nicht nur Konzern- und Jahresabschlüsse. Sie sind auch in vielen prüfungsnahen Bereichen tätig. Das ist vor allem für junge Absolvent*innen von Bedeutung, die sich eine lebenslange Tätigkeit in nur einem Job oft kaum vorstellen können. Interessante Aufgaben warten zum Beispiel in der IT, im Innovationsbereich oder sogar in der Fraud- oder Forensikabteilung. Diese Vielfalt an Tätigkeitsfeldern zeigt, dass der Beruf des*der Wirtschaftsprüfer*in weit über die traditionelle Abschlussprüfung hinausgeht und zahlreiche spannende und abwechslungsreiche Karrierewege und Entwicklungsmöglichkeiten bietet. Oftmals sind diejenigen, die abseits von traditionellen Pfaden den Weg als Expert*innen gehen, früher in einer Manager- oder Director-Position als diejenigen, die den Titel machen.

4. Den Beruf durch den Wirtschaftsprüfer-Syndikus aufwerten

Wie oben dargestellt, wollen viele junge Menschen sich mit 20 Jahren nicht darauf festlegen, den Rest ihres Lebens als Abschlussprüfer*in zu arbeiten. Nicht jede*r ist sich zudem im Klaren darüber, ob er*sie sich mit der Verantwortung als Wirtschaftsprüfer*in wohlfühlen wird. Aus diesem Grund ist es für die vielen Talente wichtig, später mit dem Titel eine maximale Flexibilität zu haben.

Doch auch wenn einem viele prüfungsnahe Bereiche offenstehen: Alles lässt der Titel leider nicht zu. Denn anders als bei Steuerberater*innen und Rechtsanwält*innen gibt es keinen Wirtschaftsprüfer-Syndikus, der Titel kann damit nicht in der gewerblichen Wirtschaft geführt werden. Schlimmer noch: Wenn Prüfer*innen fünf Jahre keine wirtschaftsprüfende Tätigkeit mehr ausgeübt haben, droht ihnen unter Umständen sogar der Verlust des mühsam erarbeiteten Titels. Kommt es dazu, hat das auch Auswirkungen auf die Altersversorgung. So sind Wirtschaftsprüfer*innen durch ein berufsständisches Versorgungswerk für die Zeit nach dem Beruf abgesichert. Mit dem Verlust des Titels fallen sie aber wieder zurück in die gesetzliche Rentenversicherung. Beiträge für das Versorgungswerk der Wirtschaftsprüfer können sie dann nur noch ergänzend auf freiwilliger Basis einzahlen. All das sind oft Ausschlusskriterien für junge Talente, die heute mit einer Karriere als Wirtschaftsprüfer*in sympathisieren.

Aus diesem Grund sollte der Beruf dringend durch die Einführung eines Wirtschaftsprüfer-Syndikus aufgewertet werden. Er stünde dann gleichberechtigt neben dem Steuerberater-Syndikus und dem Rechtsanwalt-Syndikus – Berufen also, mit denen Wirtschaftsprüfer*innen durchaus konkurrieren. In der WPK wird das Thema einer entsprechenden Anpassung der Wirtschaftsprüferordnung seit Jahren diskutiert. Da der fehlende Syndikus mittlerweile auch dort als Hemmschuh bei der Gewinnung des dringend benötigten Nachwuchses identifiziert wird, ist zu hoffen, dass bald Bewegung in die Sache kommt.

5. Die Jungen mit Nachhaltigkeitsthemen gewinnen

Die EU sieht vor, dass zahlreiche Unternehmen neben ihrer finanzorientierten Berichterstattung künftig auch über ihr Nachhaltigkeitsprofil berichten müssen. Der Kreis der Unternehmen mit einer solchen Berichtspflicht wird zudem sukzessive ausgeweitet. Wie diese Berichte auszusehen haben und welche Kennzahlen dort zu offenbaren sind, ist durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) der EU klar definiert. Ebenfalls vorgesehen ist, dass die CSRD-Berichte von externen Prüfer*innen auditiert werden müssen. Hierfür bestimmt der deutsche Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie die Wirtschaftsprüfer*innen. Ob es bei der Verabschiedung des Gesetzes bei diesen Regelungen bleibt, ist allerdings aus heutiger Sicht noch nicht abzusehen.

Einerseits bedeutet diese neue Aufgabe für angehende Prüfer*innen möglicherweise einen weiteren Lernbaustein in ihrer Ausbildung. Andererseits wertet das Nachhaltigkeitsthema den Beruf als Ganzes gerade für Nachwuchskräfte deutlich auf. So ist Nachhaltigkeit ein Thema, das gerade viele junge Menschen stark bewegt. Durch einen Audit von Nachhaltigkeitsberichten und durch prüfungsnahe Beratungen hierzu, können sie einen Beitrag für eine ressourcenschonende und gerechtere Wirtschaftswelt leisten. Das Thema Nachhaltigkeit ist daher in der Lage, Menschen für eine Karriere als Wirtschaftsprüfer*in zu begeistern, die bisher noch gar nicht über den Beruf nachgedacht haben.

6. Mehr Präsenz zeigen – auch von kleineren WPGs

Vor allem die Big 4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften sind fest an den Universitäten etabliert und auf Uni-Messen und anderen akademienahen Veranstaltungen vertreten. Mit Fokus auf Student*innen aus den Fachrichtungen BWL und Jura zeigen sie dort Karrierechancen auf, geben Einblicke in den Berufsalltag und binden Interessierte frühzeitig an das eigene Unternehmen. Deutlich seltener werden an den Unis kleinere und mittelgroße WPGs wahrgenommen. Das ist bedauerlich, denn hierdurch entgehen ihnen Chancen, Talente für sich zu gewinnen und für den Berufsstand zu begeistern. Insgesamt bieten kleinere und mittelgroße Gesellschaften durchaus eine attraktive Alternative zu den Big 4-Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, indem sie eine individuelle Förderung, vielfältige Aufgabenbereiche, eine gute Work-Life-Balance, enge Kundenbeziehungen, eine innovative Arbeitsumgebung und eine starke Teamkultur bieten. Diese Vorteile machen sie zu einer hervorragenden Wahl für Fachkräfte, die eine erfüllende und abwechslungsreiche Karriere anstreben.

Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass es sich durchaus lohnt, auch kleinere Veranstaltungen zu unterstützen. Zum Beispiel sponsert Forvis Mazars ein Seminar der Uni Münster, indem es dort ein Unternehmensplanspiel mit den Student*innen organisiert. Die Teilnehmer*innen hatten hierbei die Möglichkeit, ihre Ideen und Strategien zu präsentieren und mit den Expert*innen von Forvis Mazars zu diskutieren. In einem anschließenden Get-together konnten die Student*innen bei Häppchen und Getränken den Austausch mit den Prüfer*innen vertiefen. Ergebnis dieser einen Aktion waren rund zwanzig direkte Kontakte und mehrere Bewerbungen vielversprechender Talente. Eine lohnenswerte Aktion für alle Beteiligten.

Fazit: Die gute Botschaft muss auch unter die Leute

In der Wirtschaftsprüfungsbranche bleibt weiterhin viel zu tun, um den Beruf für junge Menschen attraktiv zu halten. Zuallererst müssen Frauen stärker gefördert werden – durch mehr Teilzeit und mehr weibliches Führungspersonal. Ebenso wichtig ist die Einführung des Wirtschaftsprüfer-Syndikus, um den jungen Menschen die Flexibilität zu geben, die sie erwarten. Auf der anderen Seite hat sich in den vergangenen Jahren aber auch viel bewegt. Die Prüfungen wurden sowohl vereinfacht als auch zeitlich entzerrt, und mit dem Audit der Nachhaltigkeitsberichte ist der Branche ein neues Aufgabenfeld erwachsen, das sich schon bald als Zugpferd bei der Rekrutierung von Talenten erweisen könnte. Doch die Erfolge nützen nichts, wenn der akademische Nachwuchs nichts davon mitbekommt. Entsprechend sind neben den großen auch die kleineren WPGs dazu aufgerufen, die gute Botschaft verstärkt unter die (jungen) Leute zu bringen. Es würde zudem nichts gegen eine kleine, zielgruppengerechte Imagekampagne durch die WPK sprechen, um die Branche als Ganzes zu pushen.   

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