Corona-Hilfen: von der Abrechnung zur Abschlussprüfung
Ob Pandemie, Ukraine-Krieg, Inflation oder Energiekosten – für Unternehmen ist die Belastung in letzter Zeit deutlich gestiegen. Von März 2020 bis Juni 2022 haben viele die Corona-Wirtschaftshilfen in Anspruch genommen, allerdings unter dem Vorbehalt einer Schlussabrechnung, die jetzt ansteht. Weil sich nun die Ansprüche der Unternehmen konkretisieren, ist sowohl die Erstellung als auch die Prüfung ihrer Jahresabschlüsse mit besonderen Herausforderungen verbunden. Was müssen Unternehmen und ihre Wirtschaftsprüfungsgesellschaften dabei beachten?
Nach Teil I unserer Serie zu den Corona-Hilfen beleuchten Melanie Haroun und Juliane Wiefel-Seedorf in Teil II die Auswirkungen der Schlussabrechnung auf den Jahresabschluss.
Welche Ansprüche resultieren aus der Schlussabrechnung?
Grundlage dafür bilden die finalen Umsatzeinbrüche und förderfähigen Fixkosten. Dabei können sich Anpassungen zu den bisherigen Beantragungen der Höhe nach ergeben, da die Anträge häufig auf der Basis von prognostizierten Umsatzeinbrüchen und geschätzten Kosten gestellt wurden. Die vielfach überarbeiteten FAQ geben den Rahmen vor, sodass sich die Regeln, die zum Zeitpunkt der Antragstellung galten, zwischenzeitlich geändert haben. Auch die Antragsvoraussetzungen haben sich im Zeitablauf verschärft. All diese Anpassungen können mit der Schlussabrechnung sowohl zu Rückzahlungsverpflichtungen als auch zu weiteren Förderungen führen.
Was ergibt sich daraus für den Jahresabschluss?
Die Schlussabrechnungen sind grundsätzlich bis zum 30. Juni 2023 einzureichen, in Ausnahmefällen kann die Frist bis zum 31. Dezember 2023 verlängert werden. Dennoch spielt die Schlussabrechnung bereits jetzt eine große Rolle für den Jahresabschluss.
Zum einen können aus abweichenden Erkenntnissen und neuen Berechnungen – im Vergleich zur Antragsstellung – Rückzahlungsverpflichtungen resultieren. Hier stellt sich im Jahresabschluss die Frage, ob und in welcher Höhe eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden ist.
Sollte sich zum anderen aus der Schlussabrechnung eine weitere Förderung ergeben, ist die Frage der Aktivierung von Forderungen und damit einer weiteren Erlösrealisation zu klären. Analog zum Fachlichen Hinweis des IDW ist mit Einreichung des Antrags, nunmehr also der Schlussabrechnung, die Aktivierung der Forderung möglich. Die Prüfung erfolgt im Einzelfall. Damit kann es definitiv sinnvoll sein, die Schlussabrechnung noch vor Ablauf des Geschäftsjahres einzureichen.
Worauf müssen sich Unternehmen eines Unternehmensverbundes einstellen?
Mit der Schlussabrechnung stellt sich für einen Unternehmensverbund erneut die Frage, wie mit der Verteilung der Ansprüche und den Rückzahlungsverpflichtungen aus den Corona-Hilfen umzugehen ist. Das IDW hatte dazu am 23. September 2021 Stellung genommen und um eine Konkretisierung seitens der Finanzverwaltung geworben. Doch die verschiedenen Vorschläge zur Konkretisierung des Aufteilungsmaßstabes hat das Bundesministerium für Finanzen (BMF) mit Schreiben vom 9. Februar 2022 als nicht zielführend angesehen. Grundsätzlich soll sich die Aufteilung nach den Umständen des jeweiligen Unternehmens im Einzelfall richten, sodass hier im ersten Schritt zumindest seitens der Finanzverwaltung eine hohe Flexibilität suggeriert wurde. Dennoch ist bei einer wirtschaftlich nicht nachvollziehbaren Verteilung zu prüfen, ob die Verteilung durch das Gesellschaftsverhältnis veranlasst ist und sich damit steuerliche Risiken (verdeckte Gewinnausschüttung/verdeckte Einlage) ergeben.
Kommt es neben den aktuellen globalen Entwicklungen (Ukraine, Energiekosten, Inflation, Ressourcenknappheit) auch noch zu Rückzahlungsverpflichtungen aus den erhaltenen Corona-Hilfen, können Unternehmen leicht in Schieflage geraten, was sich auf die Bilanzierung auswirkt. Der Jahresabschluss und damit die Bilanzierung erfolgt grundsätzlich nach dem Going-Concern-Prinzip gem. § 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB. Das heißt, dass mindestens für einen Zeitraum von einem Jahr eine positive Fortführungsprognose gegeben sein sollte. Ergibt sich aus den Kenntnissen der Schlussabrechnung ein signifikanter Rückzahlungsbedarf, kann die Unternehmensfortführung gefährdet sein.
Was gilt bei Insolvenzgefahr?
Bestehen Zweifel an der Fortführung, muss das Unternehmen ggf. eine konkrete Going-Concern-Prognose erstellen. Derartige Zweifel ergeben sich vor allem dann, wenn die aus der Schlussabrechnung resultierende Rückzahlungspflicht die finanzielle Leistungsfähigkeit des Unternehmens überschreitet.
Aktuell sind diese Zahlungspflichten grundsätzlich innerhalb kurzer Fristen fällig. Verfügt das Unternehmen nicht über ausreichende Finanzmittel, um eine solche Zahlungspflicht zu erfüllen, droht die Zahlungsunfähigkeit und damit die Insolvenz. In diesem Fall besteht dringender Handlungsbedarf, um die Insolvenz abzuwenden, da andernfalls kurzfristig (innerhalb von drei Wochen) ein Insolvenzantrag zu stellen wäre. Unbedingt zu beachten sind dabei die weitreichenden Haftungsfolgen für Geschäftsführer*innen, Vorständ*innen und Aufsichtsorgane.
Stehen Transaktionen auf der Kippe?
Eine noch nicht eingereichte und final beschiedene Schlussabrechnung kann bei Unternehmenstransaktionen behindern. Risiken aus Corona-Hilfen, die im Due-Diligence-Prozess in der Regel aufgedeckt werden, sind für potenzielle Käufer*innen schwer abschätzbar. Bei einer noch nicht eingereichten bzw. beschiedenen Schlussabrechnung gehen die Unsicherheiten auf den*die Erwerber*in über. Rechtssicherheit besteht erst mit dem Schlussbescheid. Doch das kann dauern: Die IHK München gibt aktuell eine Bearbeitungszeit für Schlussabrechnungen von zwei Jahren an. Werden die Corona-Hilfen damit zum Deal Breaker?
Fazit: Mit den Schlussabrechnungen der Corona-Hilfen werden die Fälle komplett neu aufgerollt. Das gilt für die Antragsteller*innen sowie deren prüfende Dritte, für Bewilligungsstellen und für Wirtschaftsprüfer*innen. Die Auswirkungen auf den Jahresabschluss und damit auch auf die Jahresabschlussprüfung können – wie aufgezeigt – gravierend sein und auch andere wirtschaftliche Ebenen beeinflussen. Alle Parteien sind gut beraten, die Chancen und Risiken im Blick zu behalten!
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