Eigenmittelanforderungen nach CRR III: Neues zum IRB-Ansatz
Wie viele Eigenmittel braucht eine Bank, um ihre mit Risiken behafteten Geschäfte einzugehen? Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) sucht seit Jahrzehnten eine Antwort auf diese Frage. Mit den Baseler Rahmenwerken veröffentlicht er Regeln, die die Eigenmittelvorgaben für den Bankensektor nachhaltig verändern. Ziel ist es, die Stabilität und Widerstandsfähigkeit der Banken zu stärken.
In Teil 3 unserer WP-Blog-Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor beschreiben Jelena Saihhova, Arif Torun und Isabel Carr, was sich bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko nach dem Internal Ratings-Based Approach (IRBA) bzw. IRB-Ansatz ändert. Können die internen Modelle nach wie vor verwendet werden? Was sind die wesentlichen Neuerungen, auf die sich IRBA-Institute zeitnah einstellen müssen?
Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung müssen Wirtschaftsprüfer*innen die von den Kreditinstituten getroffenen Vorkehrungen zur ordnungsgemäßen Ermittlung der Kapitalquoten und somit der Eigenmittelanforderungen beurteilen. Änderungen der CRR III sind für die Prüfer*innen mit der Umstellung der Verfahren – auch für andere Risikoarten – zu beachten. CRR steht für Capital Requirements Regulation.
Was sind die Gründe für die geplanten Änderungen?
Das Kreditrisiko, also das Risiko des Ausfalls einer Gegenpartei, stellt für Banken in der Regel das größte Risiko dar und ist daher bei der Ermittlung der Höhe der Eigenmittelanforderungen von besonderer Bedeutung.
Zur Messung des Kreditrisikos werden aktuell drei verschiedene Ansätze verwendet: der Kreditrisiko-Standardansatz (KSA), der Basis-IRBA und der fortgeschrittene IRBA. Während Institute im Basis-IRBA nur die Ausfallwahrscheinlichkeiten (Probability of Default – PD) ihrer Exposures schätzen, werden im fortgeschrittenen IRBA, dem umfassendsten Messansatz, auch die Verlustquoten bei Ausfall (Loss Given Default – LGD), Kreditexposures bei Ausfall (Exposures at Default – EAD) und Konversionsfaktoren (Credit Conversion Factors – CCF) anhand von selbst entwickelten Modellen geschätzt. Alle IRBA-Modelle durchlaufen vor Erstanwendung ein Zulassungsverfahren der Aufsicht. Banken, die den fortgeschrittenen IRBA verwenden, hatten bislang bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen einige Vorteile gegenüber Banken, die für die Kapitalunterlegung von Kreditrisiken auf den KSA setzten.
Die Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 hat jedoch erhebliche Mängel der IRB-Ansätze offenbart, wie z. B. ein unannehmbar großes Gefälle bei den Eigenmittelanforderungen zwischen den jeweiligen von den Instituten genutzten Modellen oder eine nicht sinnvolle Anwendung der Modelle für bestimmte Portfolios. Vor diesem Hintergrund gehen die Vorschläge der Europäischen Kommission auf die aktuellen Schwachstellen der IRB-Ansätze ein, darunter der Anwendungsbereich oder neue Mindestparameter, die sogenannten Input-Floors. Ziel ist es, eine bessere Vergleichbarkeit der Modellergebnisse für ähnliche Portfolios unterschiedlicher Banken zu schaffen.
Was ändert sich in dem Anwendungsbereich der zugelassenen IRB-Modelle?
Eine der wichtigsten Änderungen ist sicherlich, die Anwendung der IRB-Ansätze nur auf bestimmten Risikopositionen zu gestatten. Nach der aktuellen CRR müssen Banken, die den IRB-Ansatz anwenden wollen, diesen auf alle ihre Risikopositionen anwenden. Einzige Ausnahme ist – derzeit noch – die dauerhafte teilweise Verwendung (Permanent Partial Use), bei der die Banken von der zuständigen Aufsichtsbehörde ermächtigt werden, nur für bestimmte Risikopositionen den KSA anzuwenden. Wenn eine Bank aktuell einen IRB-Ansatz verwenden will, muss sie das für alle Risikopositionsklassen tun. Sind die Modellannahmen zum Beispiel für Portfolios mit hohen Ausfällen unpassend, kann es zu Ergebnissen kommen, die die reale Situation nicht genau widerspiegeln. Unter diesem Gesichtspunkt lässt die CRR III den Einsatz von IRB-Modellen künftig nur für bestimmte Risikoklassen zu. Diese Änderung vereinfacht die Anwendung der IRB-Ansätze durch die Banken und befreit die Institute von der Pflicht, diese für alle Risikopositionen anzuwenden. Aus demselben Grund wird der fortgeschrittene IRB-Ansatz nur im Falle einer soliden Modellierung zulässig sein.
Der neue Verordnungsentwurf gibt den Banken auch die Möglichkeit, einen Antrag bei der Aufsicht zu stellen, um innerhalb von drei Jahren ab dem 1. Januar 2025 von den komplexen IRB-Ansätzen zum einfacheren KSA zu wechseln.
Darüber hinaus enthält der Entwurf der CRR III eine Reihe weiterer Änderungsvorschläge, um die Anwendung des IRB-Ansatzes praktikabler zu machen. So wird beispielsweise die Verwendung des fortgeschrittenen IRB-Ansatzes für die Risikopositionen gegenüber Instituten und Großunternehmen (mit einem Jahresumsatz von über 500 Mio. €) abgeschafft. Ebenso wird die Anwendung des IRB-Ansatzes für die Risikopositionen gegenüber Beteiligungen aufgelöst. Für diese Positionen kommt künftig lediglich der KSA zur Anwendung.
Um die Vereinheitlichung in der Praxis zu gewährleisten, wird eine neue Risikopositionsklasse eingefügt. Die Positionen gegenüber regionalen und lokalen Gebietskörperschaften und öffentlichen Stellen werden künftig unter dieser neuen IRB-Risikopositionsklasse behandelt.
Was passiert mit den Input-Floors?
Input-Floors sind Mindestwerte für eigene Schätzungen bei der Berechnung der risikogewichteten Aktiva (Risk-Weighted Assets – RWA). Diese Mindestwerte sollen einerseits verhindern, dass Banken bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen unter ein bestimmtes aufsichtsrechtliches Niveau fallen. Andererseits zielen diese auch darauf ab, die Berechnungsfehler zu verringern, die aufgrund von Modellrisiken, Messfehlern und unzureichenden Daten auftreten können. Input-Floors ermöglichen damit eine bessere Vergleichbarkeit der berechneten Kapitalquoten zwischen den einzelnen Instituten.
Schon heute dürfen die geschätzten PDs einen Mindestwert von 0,03 % im IRB-Ansatz nicht unterschreiten. Der CRR-III-Entwurf regelt nun, dass auch die anderen Schätzparameter wie LGD und CCF künftig Input-Floors bekommen. Insgesamt wird mit Einführung der neuen bzw. mit Erhöhung der bestehenden Input-Floors ein Anstieg der Eigenmittelunterlegung erwartet.
Was folgt aus den Neuerungen?
Banken sollten sich frühzeitig mit den geplanten Änderungen der IRB-Ansätze durch den CRR-III-Entwurf auseinandersetzen. Grundsätzlich wird es erforderlich sein, jedes Portfolio auf den Prüfstand zu stellen, um die Vorteilhaftigkeit von IRB-Ansätzen und ggf. eine mögliche Rückkehr in den Kreditrisiko-Standardansatz zu überprüfen. Auswirkungen im Risikomanagement, Pricing bzw. in den aktuell laufenden Neu-Produkt-Prozessen sind hierbei nicht zu vernachlässigen.
In Zukunft müssen alle IRBA-Institute ihre Eigenmittelanforderungen zusätzlich nach dem Standardansatz berechnen, um unter Beachtung komplexer Übergangsbestimmungen einen erforderlichen Output-Floor in Höhe von 72,5 % einzuhalten. Berechnungsgrundlage dafür ist die nach dem Standardansatz ermittelte RWA und die daraus resultierende zusätzliche Eigenmittelanforderung. Der operative Aufwand, einschließlich Anpassung der Datenmengen und Berechnungslogiken, und die erforderlichen zusätzlichen Eigenmittelanforderungen sind also in die Überlegungen einzubeziehen.
Hilfreiche Links:
Entwurf der CRR III (Änderung der Verordnung (EU) 575/2013 (CRR))
Entwurf der CRD VI (Änderung der Richtlinie 2013/36/EU (CRD))
Lesen Sie dazu auch Teil 1 unserer WP-Blog-Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor: Was hat sich bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das operationelle Risiko der Banken geändert? In Teil 2 unserer WP-Blog-Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor gehen wir auf die Änderungen im Kreditrisiko-Standardansatz ein. Teil 4 der Serie beschäftigt sich mit dem neuen Output-Floor. In Teil 5 unserer Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor geht Irina Ursachi auf die neuen Eigenmittelanforderungen für das Credit Valuation Adjustment Risiko ein.
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