Machine Learning: Wie Wirtschaftsprüfer*innen davon profitieren

Digitalisierung & Innovation
20. Juni 2023

Kein Jahresabschluss ohne Daten – das gilt seit jeher in der Wirtschaftsprüfung. Entsprechend sollte ein gutes Datenverständnis zum Handwerkszeug von Wirtschaftsprüfer*innen gehören. Zwar vereinfachen neue Tools auf der Basis von Machine Learning Datenanalysen – um zu profitieren, benötigen Prüfer*innen aber umfassendes Daten-Know-how. Um die Expertise zu erwerben und zu erweitern, sind Eigeninitiative, aber auch eine entsprechende Unternehmenskultur gefordert.

Im Rahmen einer Abschlussprüfung läuft das Daten-Handling in der Regel in drei Stufen ab: In der Phase der Extraktion werden die für die Abschlussprüfung relevanten Daten zunächst bereitgestellt. In der Regel werden sie hierbei direkt aus dem ERP-System, also der Enterprise Resource Planning Software des Mandanten, extrahiert. Es folgt die Phase „Transform & Load“. Hierbei übertragen die Prüfer*innen die Daten in ein Analysetool, das sie bei der Auswertung unterstützt. In der wichtigen dritten Phase geht es schließlich um die Interpretation der Daten mit Blick auf die Risiken, die im Rahmen der Prüfung identifiziert worden sind.

Die zentrale Rolle, die Daten im Prüfungsprozess spielen, zeigt, wie wichtig die Expertise der Wirtschaftsprüfer*innen beim Umgang damit ist. Zwar kann es sich lohnen, bei der Datenextraktion und Datenaufbereitung entsprechende Spezialist*innen miteinzubeziehen, doch in der wichtigen Phase der Interpretation der Daten ist das spezifische Know-how der Wirtschaftsprüfer*innen gefragt. Rückschlüsse für die Abschlussprüfung gelingen gleichwohl nur dann, wenn die Prüfer*innen verstehen, welche Daten ihnen vorliegen.

Was Machine Learning kann – und was nicht

Schon heute unterstützen Maschine-Learning-Anwendungen die Wirtschaftsprüfer*innen bei ihrer Arbeit, indem sie Auswertungen vereinfachen und durch weiterführende Analysen zusätzliche Erkenntnisse ermöglichen. Gleichzeitig erhöhen die intelligenten Tools die Effizienz, da durch sie manuelle, repetitive Tätigkeiten und die Auswertung großer Stichproben vielfach entfallen. Durch maschinell gestütztes Journal Entry Testing lassen sich zudem auffällige Journaleinträge identifizieren, die auf Fehler im Jahresabschluss hindeuten können. In Zukunft werden zudem weitere zielgerichtete Analysen möglich sein, welche die Wirtschaftsprüfer*innen bei der Risikobeurteilung unterstützen und die auf diese Weise dazu beitragen werden, noch mehr Prüfungssicherheit zu gewinnen.

Datenanalyse und Maschinelles Lernen erleichtern den Prüfungsprozess schon heute und haben das Potenzial, diesen in Zukunft weiter zu verschlanken. Trotz der enormen Potenziale, die in den neuen technischen Ansätzen liegen, ist es wichtig zu verstehen, dass diese den Menschen und die menschliche Intelligenz nicht ersetzen können. Es bedarf weiterhin menschlicher Einsicht und Erfahrung, um die Ergebnisse zu verstehen, welche die intelligenten Helfer liefern. Wirtschaftsprüfer*innen müssen diese validieren und bewerten, ob es sich bei den präsentierten Informationen und Ergebnissen beispielsweise um echte Anomalien handelt. Wichtiger noch: Sie müssen bestimmen, was eine Anomalie überhaupt bedeutet.

Wie Wirtschaftsprüfer*innen Datenkompetenz erwerben

Bei der Bedeutung, die der Datenkompetenz im Alltag von Wirtschaftsprüfer*innen schon heute zukommt, ist es umso verwunderlicher, dass sie bis jetzt kein Teil der klassischen Wirtschaftsprüfer*innen-Ausbildung ist. Wie können Prüfer*innen also die notwendige Souveränität im Umgang mit Daten erlangen, die sie für den Job brauchen? Kurz gesagt, indem sie sich einerseits selbst möglichst früh proaktiv darum bemühen, die entsprechenden Kenntnisse zu erwerben. Andererseits ist es ebenso wichtig, dass Wirtschaftsprüfungsgesellschaften das Datenthema intern priorisieren und es als Teil der Unternehmenskultur begreifen.

Folgende Möglichkeiten stehen Nachwuchskräften offen, um sich frühzeitig mit dem Datenthema vertraut zu machen:

  • Bewusste Auswahl von Universitäts-Kursen: Während Datenanalyse-Kurse bei den Universitäten bereits vielfach angeboten werden, steigt vielerorts auch das Angebot an Programmen zu den Themen Data Science, Datenmanagement und maschinelle Lerntechniken.
  • Teilnahme an Schulungen: Wirtschaftsprüfungsgesellschaften bieten häufig gezielte Audit Analytics Trainings an. Der ideale Zeitpunkt für eine entsprechende Weiterbildung ist in der Regel das zweite Berufsjahr. Die jungen Kolleg*innen haben dann bereits erste Erfahrung in der Prüfung gesammelt – eine wichtige Voraussetzung, denn die Datenanalyse sollte in Verknüpfung mit der Abschlussprüfung erlernt werden.
  • Learning by Doing: Für einen souveränen Umgang mit der Datenanalyse reicht die Theorie allein nicht aus. Es bedarf zusätzlich der praktischen Erfahrung, die Wirtschaftsprüfer*innen nur durch das Analysieren von Datensätzen verschiedener Mandanten erwerben können. Durch die Erfahrung entsteht eine Erwartungshaltung beim Blick auf die Zahlen. Weichen die Daten von den üblichen Werten ab, muss der/die Prüfer*in sich den Sachverhalt genauer anschauen. So können sie Fehler leichter finden und im Zweifel sogar Betrugsfälle aufdecken.

Fortbildung und Unternehmenskultur erhöhen Daten-Know-how

Wichtig ist, dass der Erwerb von Datenkompetenz durch die Unternehmenskultur unterstützt wird. Je höher die Datenkompetenzen in der Organisation, desto einfacher ist der Wissenstransfer und die Weitergabe von Best Practices. Hiervon profitieren nicht nur die Nachwuchskräfte, sondern auch erfahrene Prüfer*innen. Diese sollten zudem an Trainings zur Datenkompetenz im Unternehmen teilnehmen, die gezielt auf sie und ihren Erfahrungshorizont ausgerichtet sind. So haben erfahrene Prüfer*innen den Vorteil, dass sie die fachliche Interpretation der Ergebnisse sehr gut beherrschen, sie brauchen allerdings Unterstützung bei der Auswahl der geeigneten Analysemethoden. Zudem stellt sich ihnen oft die Frage, wie die Tools im gesamten Prüfungsprozess eingesetzt werden können.

Folgende Fragestellungen sind für erfahrene Prüfer*innen bei der Weiterbildung besonders relevant:

  • Auf welche Weise lässt sich durch Datenanalyse die Risikobeurteilung im Rahmen der Prüfungsplanung verbessern/vereinfachen?
  • Wie kann man die Datenanalyse im ganzen Prüfungsprozess verzahnen, damit es sich am Ende um einen Data-Driven Audit-Prozess handelt?
  • Wie können die Erkenntnisse aus der Datenanalyse im Team geteilt werden und wie lassen sie sich am besten an den Mandanten kommunizieren?

Fazit: Der menschliche Faktor ist nicht zu ersetzen

Die erfolgreiche Anwendung von Datenanalyse und Machine Learning bei der Prüfung des Jahresabschlusses verändert sowohl die Prüfung selbst als auch die Kompetenzen, die Prüfer*innen besitzen müssen. Doch auch wenn intelligente Maschinen mehr und mehr Vorarbeit leisten: Wirtschaftsprüfer*innen werden auch weiterhin die wichtige Funktion der Interpretation und Einordnung der Daten selbst vornehmen und verantworten. Somit gehört Daten-Know-how zu den Kernkompetenzen, die sich Wirtschaftsprüfer*innen aneignen sollten. Die Mühe lohnt sich in jedem Fall, denn Wirtschaftsprüfer*innen profitieren enorm von einem besseren Verständnis aus den Bereichen IT und Data Science. Sie gewinnen so bessere Einsichten in die Möglichkeiten, aber auch die Grenzen maschinellen Lernens.


Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn, X und XING.

Autorin: Dr. Camilla Fiallo war bis Oktober 2024 für Forvis Mazars in Deutschland als Senior Managerin mit den Schwerpunkten Datenanalyse, Künstliche Intelligenz und Innovation tätig. 

Kommentare

Antwort

Ihre E-Mail Adresse wid nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert*.