KI in der Wirtschaftsprüfung: Hat die Revolution begonnen?
Künstliche Intelligenz (KI) und Automatisierung haben längst Einzug bei vielen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (WPG) gehalten. Vor allem durch den Einsatz von KI bei Datenanalyse, Betrugserkennung und Risikoanalyse steigern die Institute Qualität und Effizienz. Doch die modernen Systeme haben auch ihre Grenzen – und es gibt Risiken.
In immer mehr Branchen wird der Einsatz von KI derzeit intensiv diskutiert. Bei der Wirtschaftsprüfung kommen erste Tools auf der Basis künstlicher Intelligenz mancherorts bereits zur Anwendung. Sie nehmen den Prüfer*innen Routineaufgaben ab, erhöhen die Qualität ihrer Arbeit und führen zu deutlichen Effizienzgewinnen. Doch ist die Technik wirklich so revolutionär, wie alle sagen? Oder kommen Softwarelösungen, die zur Automatisierung bestimmter Prozesse beitragen, nicht schon länger zum Einsatz?
Tatsächlich werden KI und Automatisierung oft in einem Atemzug genannt, doch gibt es deutliche Unterschiede bei den Anwendungen. So führt bei der Automatisierung eine Maschine oder Software bestimmte von Menschen definierte Aufgaben nach festgelegten Regeln aus. KI-Systeme agieren im Vergleich weniger starr, da sie aus Daten lernen und sich so an neue Situationen anpassen können. Selbst die Regeln, nach denen die KI ihre Aufgaben ausführt, entwickelt sie im Lernprozess selbst. Die Ansätze der Technologien sind also grundverschieden. Und diese Unterschiede führen wiederum zu unterschiedlichen Stärken und Schwächen der jeweiligen Konzepte.
Künstliche Intelligenz vs. Automatisierung: Wem gehört die Zukunft?
Die Vorteile automatisierungsbasierter Systeme liegen in ihrer Robustheit, Zuverlässigkeit und Skalierbarkeit. In der Wirtschaftsprüfung kommen sie in erster Linie bei Routineaufgaben zum Einsatz, die klar definiert sind und sich stetig wiederholen. Dazu gehören zum Beispiel die Konsolidierung von Daten oder die Erstellung von Standardberichten. Ihr Nachteil: Ändern sich die Anforderungen, können sie sich nicht eigenständig daran anpassen und benötigen IT-Spezialist*innen, die ihre Routinen umprogrammieren.
Während auf Automatisierung beruhende Systeme somit unflexibel sind, ist es gerade die Flexibilität, die KI-Lösungen auszeichnen. Sie lernen eigenständig aus Daten, können sich an neue Rahmenbedingungen anpassen und finden eigenständig Lösungswege bei veränderten Aufgabenstellungen. Ohne Nachteile ist aber auch der Einsatz von KI nicht zu haben, denn KI gilt als sehr komplex und zumindest heute noch als fehleranfällig. Gleichwohl sind sich die Expert*innen einig, dass KI auch in der Wirtschaftsprüfung die Zukunft gehört und sie entscheidend prägen wird.
Wo Prüfer*innen schon heute mit KI Effizienzgewinne erzielen
Schon heute wird KI von Wirtschaftsprüfer*innen eingesetzt, am häufigsten in den drei folgenden Bereichen:
- Datenanalyse: KI-Systeme analysieren große Mengen an Informationen aus unterschiedlichen Quellen und geben den Wirtschaftsprüfer*innen Hinweise zur Integrität der vorliegenden Daten. Durch Mustererkennung werden zudem Auffälligkeiten und Inkonsistenzen schnell und zuverlässig sichtbar.
- Betrugserkennung: Durch den Einsatz von KI-Systemen erkennen Wirtschaftsprüfer*innen schneller Betrugsmuster in den vorliegenden Finanzdaten.
- Risikoanalyse: KI-Systeme identifizieren potenzielle Unternehmensrisiken, die dann in die Risikobeurteilung der Wirtschaftsprüfer*innen miteinfließen können.
Beim Blick auf das Einsatzspektrum von KI zeigt sich auch der Hauptvorteil: Durch sie werden Teile der Prüfung beschleunigt, qualitativer und somit effizienter. Durch ihren Einsatz gelingt es den WPG nicht zuletzt, den zunehmenden Anforderungen an die Qualität der Finanzberichterstattung nachzukommen. Auf diese Weise profitieren sowohl die Mandanten als auch deren Stakeholder von den neuen, intelligenten Anwendungen.
Zahlreiche weitere Einsatzgebiete für KI-Lösungen im Prüfungsprozess sind zudem für die Zukunft denkbar oder bereits in der Vorbereitung. So wird KI noch stärker in der Risikobewertung eingesetzt werden, indem sie Risikofaktoren analysiert und Prognosen für zukünftige finanzielle Entwicklungen erstellt. Sie wird bei der Prüfung von Verträgen und Dokumenten eingesetzt werden und diese auf Compliance-Richtlinien und die Einhaltung anderer Vorschriften überprüfen. Auch bei der generellen Überwachung von Compliance-Richtlinien und Vorschriften kann der Einsatz von KI hilfreich sein. Darüber hinaus werden Daten durch KI schon bald stärker visualisiert werden, was Wirtschaftsprüfer*innen bei Bewertungen und Entscheidungen unterstützen wird. Im Bereich Steuer lassen sich die intelligenten Tools bei der Berechnung einsetzen, und sie tragen zur Identifizierung von Steueroptimierungsmöglichkeiten bei. Auch bei Trendanalysen kann KI hilfreich sein, indem sie relevante Entwicklungen identifiziert und sinnvoll auswertet.
Grenzen und Risiken: Der Mensch bleibt unersetzbar
Bei aller Euphorie rund um die KI sollten auch ihre Grenzen und Risiken mitbedacht werden. Zwar kann eine KI Daten analysieren und Muster erkennen, wenn es aber darum geht, rechtliche oder gar ethische Schlussfolgerungen daraus zu ziehen, bedarf es weiterhin des Menschen. Defizite haben KI-Systeme zudem bei der Interpretation von Kontext, bei der Entwicklung von wirklich kreativen und strategischen Lösungsansätzen, bei der Kundenkommunikation und in vielen Situationen, die menschliche Erfahrung und emotionale Intelligenz erfordern.
Wie schon in der medialen Berichterstattung über ChatGPT deutlich wurde, sind KI-Systeme aktuell noch häufig fehleranfällig. Die fehlende Transparenz darüber, auf welcher Basis insbesondere tiefe neuronale Netze zu ihren Schlussfolgerungen kommen, macht es nicht leichter, deren Plausibilität zu bewerten. Auch mit Blick auf Datenschutz und Sicherheit ist, wie in anderen IT-Bereichen auch, Vorsicht geboten. So können unzureichende Sicherheitsmaßnahmen zu Datenlecks und Missbrauch führen. Aufgrund der rasanten Entwicklung fehlt es beim Einsatz von KI zudem an regulatorischen Leitlinien, auch Haftungsfragen sind nicht in allen Bereichen geklärt, in denen KI bereits angewendet wird.
Um das Risiko beim Einsatz von KI zu minimieren, sollten die angeführten Aspekte schon zu einem frühen Zeitpunkt mitbedacht werden. So ist es bereits bei der Schulung der KI-Modelle wichtig, diese mit qualitativ hochwertigen Daten durchzuführen. IT-Expert*innen sollten auch Sicherheitsmaßnahmen möglichst frühzeitig implementieren, um zukünftige Datenlecks zu verhindern. Wichtig ist es zudem, nachvollziehbare Algorithmen einzusetzen, die es den Anwender*innen zu einem späteren Zeitpunkt ermöglichen, die Entscheidungen und Resultate der KI nachzuvollziehen. Sind die KI-Systeme erst einmal im Einsatz, sollten IT-Expert*innen diese im Rahmen regelmäßiger Audits überprüfen und gegebenenfalls identifizierte Defizite beseitigen.
Fazit: Beim Einsatz von KI nicht auf den kritischen Blick verzichten
Auch wenn KI in der Wirtschaftsprüfung wesentlich dazu beiträgt, Effizienz und Qualität zu steigern, ist ein kritischer Blick auf die neuen Tools und deren Lösungen unerlässlich. Nur so lassen sich die Systeme von Beginn an richtig aufsetzen, kontinuierlich weiterentwickeln und schließlich zum Gewinn der Mandanten einsetzen. Was schon jetzt durch erste Anwendungen gut gelingt, wird sich in naher Zukunft auf viele andere Bereiche des Prüfungsprozesses übertragen lassen. Wirtschaftsprüfer*innen müssen sich darauf einstellen, ersetzen wird die KI sie und ihre Arbeit nicht.
Hinweis: Welche Auswirkungen KI auf die Arbeit von Wirtschaftsprüfer*innen hat, lesen Sie in Kürze auf dem Wirtschaftsprüfungs-Blog.
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