Female Entrepreneurship: Wie Wirtschaftsprüfung Chancen schafft 

Werte & Vision
12. November 2024

Gründerinnen leisten einen wichtigen Beitrag zu wirtschaftlichem Wachstum und gesellschaftlichem Fortschritt – doch strukturelle Barrieren beeinträchtigen ihren Erfolg. Die Wirtschaftsprüfung kann Abhilfe schaffen: Indem sie finanzielle Transparenz herstellt, sorgt sie für eine objektive Beurteilung von Start-ups aller Gründer*innen

Start-ups sind wichtige Akteure bei der Bewältigung globaler Herausforderungen, sei es in den Bereichen Gesundheit, Umwelt oder in der digitalen Welt. Sie reagieren schnell, innovieren agil und setzen neue Technologien effizient ein, um drängende Probleme wie Pandemien oder die Umstellung auf erneuerbare Energien zu lösen. Dank ihrer Flexibilität und Unabhängigkeit von starren Unternehmensstrukturen können Start-ups zügiger umdenken, mehr Risiken eingehen und schneller handeln. Frauen spielen bei der Gründung von Start-ups eine wichtige Rolle. Laut Global Entrepreneurship Monitor (GEM) haben allein in den Jahren 2023/24 rund 274 Millionen Frauen in 72 analysierten Volkswirtschaften ein Unternehmen gegründet oder geführt. Diese Erkenntnis ist nicht neu: Zahlreiche Organisationen wie etwa die International Labour Organization (2020) oder UN Women (2020) haben bereits vor Jahren die Bedeutung von Frauen im wirtschaftlichen Entwicklungsprozess durch Studien belegt.  

Diese Zahlen sind umso beeindruckender, wenn man sich die spezifischen Herausforderungen vergegenwärtigt, vor denen insbesondere Frauen bei der Unternehmensgründung stehen. Viele der Hindernisse und Einschränkungen, mit denen Unternehmerinnen konfrontiert sind, ergeben sich aus den kulturellen Werten, Normen und Gepflogenheiten ihrer Gesellschaften. Ein Beispiel dafür sind die Zuschreibungen, mit denen gute Start-up-Unternehmer*innen häufig versehen werden. Kulturübergreifend sind es vor allem Begriffe wie „visionär“, „ehrgeizig“ oder „unabhängig“, die solche Gründer*innen auszeichnen. Untersuchungen haben gezeigt, dass diese Eigenschaften vor allem mit dem männlichen Geschlecht assoziiert werden. Frauen hingegen werden mit Begriffen wie „gemeinschaftlich“ und „mitfühlend“ beschrieben.  

Kulturelle Systeme entscheiden über den Erfolg von Start-ups 

Diese Geschlechterstereotype, Vorurteile und geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen können sich entscheidend auf den unternehmerischen Erfolg auswirken. So werden Investor*innen ihre Mittel eher denjenigen Gründer*innen zur Verfügung stellen, denen sie die Attribute zuschreiben, die aus ihrer Sicht notwendig sind, um ein Start-up zielsicher zum Break Even zu führen. Für Unternehmen, die von Frauen gegründet werden, bedeutet dies, dass ihnen häufig weniger Kapital zur Finanzierung zur Verfügung steht als Männern. Der Erfolg eines Start-ups hängt also nicht nur von der Idee allein ab, sondern auch von dem kulturellen System, in das das Unternehmen eingebettet ist. Kulturelle Indikatoren wie spezifische Überzeugungen, Normen und Werte einer Gesellschaft beeinflussen den Erfolg oder Misserfolg eines Start-ups. 

Im Oktober 2024 veröffentlichte Forvis Mazars die Studie „What is their X-Factor?“. Gemeinsam mit der Start-up-Messe VivaTech haben die Expert*innen von Forvis Mazars die Profile von mehr als 1.700 Gründerinnen analysiert, die zwischen 2021 und 2024 am VivaTech-Gründerinnenwettbewerb teilgenommen haben. Ziel der Studie war es, ein besseres Verständnis der von Frauen gegründeten Start-ups zu erlangen, um gängige Vorurteile und Stereotypen zu widerlegen. Es zeigte sich, dass es weniger Faktoren wie Führung, Timing und Technologie sind, die über den Erfolg eines Start-ups entscheiden. Vielmehr ist es die Diversität der Belegschaft in Bezug auf Geschlecht, Alter und soziale Vielfalt (beispielsweise sozioökonomischer Hintergrund), die am signifikantesten zu einer positiven Unternehmensentwicklung beiträgt.  

Leider sind es die Geschlechterstereotypisierungen, die die Realisierung dieser positiven Effekte oft unmöglich machen. Eine Variante dieser Stereotypisierungen stellt der „dynamische Gründer“ dar, dem Investor*innen mehr zutrauen als seinem weiblichen Pendant. Analog wirken die Stereotypisierungen bei der Besetzung von Führungspositionen im Allgemeinen. Hier werden Männern unbewusst die männlich konnotierten Eigenschaften zugeschrieben, die für eine Führungsrolle als notwendig erachtet werden. So werden Männer mit wachstumsstarken Unternehmen assoziiert, Frauen hingegen mit wachstumsschwachen.  

Wahrnehmung von Führungskompetenz: Warum wirkt Howard kompetenter als Heidi? 

Die Theorie der Rollenkongruenz besagt, dass in vielen Gesellschaften Diskrepanzen zwischen den gängigen Vorstellungen von Führung und den Erwartungen an die weibliche Geschlechterrolle bestehen. Diese Diskrepanzen können zu Diskriminierung führen, da Frauen als potenzielle Führungskräfte oft schlechter bewertet und bei der Besetzung von Führungspositionen möglicherweise nicht berücksichtigt werden. Ein bekanntes Beispiel ist die sogenannte Heidi-Howard-Studie, die zeigt, wie Geschlechterstereotype die Wahrnehmung von Führungskräften beeinflussen. In der Studie wurde den Teilnehmer*innen eine Fallstudie über einen erfolgreichen Unternehmer beziehungsweise eine erfolgreiche Unternehmerin vorgelegt. Eine Gruppe las die Geschichte mit der Unternehmerin „Heidi“ in der Hauptrolle, die andere Gruppe folgte dem Unternehmer „Howard“. Obwohl Heidi und Howard identische Verhaltensweisen zeigten, nahmen die Studienteilnehmer*innen Heidi als egoistischer und weniger sympathisch wahr, während sie Howard als kompetent und durchsetzungsfähig bewerteten.  

Die Heidi-Howard-Studie macht deutlich, mit welcher Hypothek sich Unternehmerinnen in einem ohnehin wettbewerbsintensiven Umfeld durchsetzen müssen. Die Ergebnisse der Studie sind umso ernüchternder, wenn man sich die tatsächlichen Qualitäten von Frauen in Führungspositionen bewusst macht. So haben wissenschaftliche Studien gezeigt, dass Frauen bei bestimmten globalen Führungskompetenzen wie interkulturellem Einfühlungsvermögen und diplomatischem Geschick besonders gut abschneiden. Es sind also gerade Frauen, die viele der Eigenschaften mitbringen, die notwendig sind, um ein starkes Team aufzubauen und ein Unternehmen erfolgreich zu führen. Wie kommt es vor diesem Hintergrund zu den ungerechten Zuschreibungen? 

Traditionelle Rollenbilder wirken auch heute noch 

Eine Antwort findet sich in der historischen Entwicklung traditioneller Geschlechterrollen. Diese waren innerhalb der Familie in der Regel so definiert, dass Frauen die Verantwortung für Haushalt und Familie übernahmen, während Männer die Familie durch aushäusige Erwerbstätigkeit wirtschaftlich unterstützten. Diese geschlechtsspezifischen Rollenerwartungen haben Frauen in der Vergangenheit den Zugang zu Einkommensmöglichkeiten erschwert. Und sie wirken bis in die Gegenwart nach. So sind Gründerinnen auch heute noch häufig auf die Unterstützung der eigenen Familie angewiesen. Darüber hinaus suchen sie verstärkt nach weiblichen Rollenvorbildern und Unternehmerinnen, die sie bei ihren unternehmerischen Vorhaben unterstützen, etwa durch den Zugang zu Netzwerken und Ressourcen. Denn Frauen sind nicht nur bei der Finanzierung benachteiligt, sondern verfügen im Durchschnitt auch über kleinere berufliche Netzwerke als Männer. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Bildungshintergrund der Familie. Die ebenfalls im Jahr 2024 veröffentlichte Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass beispielsweise in Deutschland 85 Prozent der deutschen Gründerinnen einen akademischen Abschluss haben und dies häufig auch für ihre Eltern gilt: So haben 53 Prozent der Väter und 38 Prozent der Mütter einen akademischen Abschluss. 

Kulturelle Systeme haben demzufolge einen großen Einfluss auf die Erfolgsbedingungen von Unternehmerinnen. Die Überwindung kultureller Barrieren erfordert oft große Anstrengungen und kann zu erheblichen Spannungen führen. Dennoch sind Veränderungen notwendig, um Frauen in die Lage zu versetzen, traditionelle Geschlechternormen zu durchbrechen und ihr eigenes Unternehmen zu gründen. Staatliche Programme, die speziell auf die Förderung des weiblichen Unternehmertums ausgerichtet sind, können hier unterstützend wirken. Die Forschung zeigt auch: Je mehr Frauen in Führungspositionen oder als Gründerinnen sichtbar sind und auf diese Weise als Vorbilder dienen, desto stärker werden diese Bilder und Prozesse institutionalisiert und als weniger befremdlich wahrgenommen. 

Objektivität der Wirtschaftsprüfer*innen führt zu mehr Chancengerechtigkeit 

Auch Wirtschaftsprüfer*innen wirken in diese Richtung: Ihr Prüfungsbericht orientiert sich grundsätzlich am Kriterium der Objektivität. Geschlechterstereotype und Annahmen über vermeintlich dynamische Eigenschaften männlicher CEOs verlieren beim Blick auf die Zahlen an Bedeutung. Für die Abschlussprüfer*innen geht es allein um die Beurteilung der Gesetzeskonformität der Rechnungslegung. Auch Kapitalgeber*innen orientieren sich bei ihren Investitionsentscheidungen an den durch Wirtschaftsprüfer*innen testierten Jahresabschlüssen. Mehr Objektivität bei Investitionsentscheidungen bedeutet tendenziell weniger Investitionsentscheidungen aufgrund kultureller Zuschreibungen.  

Untersuchungen zeigen, dass Wirtschaftsprüfungsgesellschaften auf diese Weise dazu beitragen, geschlechtsspezifische Vorurteile bei der Bewertung von Investitionen und der Unternehmensfinanzierung abzubauen. Wirtschaftsprüfer*innen bewerten die tatsächliche Leistung eines Unternehmens unabhängig von Stereotypen. Mit Blick auf die Start-ups bedeutet das: Die Arbeit der Wirtschaftsprüfer*innen zahlt darauf ein, die finanziellen und organisatorischen Erfolge von frauengeführten Start-ups klar und nachvollziehbar darzustellen. Das schafft Vertrauen bei Investor*innen und Stakeholdern und sorgt perspektivisch für ausreichend Kapital bei den jungen, weiblichen Unternehmen. Der Erfolg dieser Start-ups sollte dazu beitragen, dass Frauen in Führungspositionen zunehmend stärker vertreten sind und somit immer mehr Gründerinnen mit ihren Start-ups entsprechende Innovationen schaffen.  

Ein weiterer positiver Impuls für Frauen in Führungspositionen könnte von der zunehmenden Bedeutung der Nachhaltigkeitsberichterstattung ausgehen. Denn bei sozialen und ökologischen Themen wirken sich kulturelle Assoziations- und Zuschreibungsmuster zu ihren Gunsten aus. Objektive Prüfungen, die Bedeutungszunahme von Themen, die eher einer weiblichen Führungskultur zugeschrieben werden, aber auch staatliche Programme zur Förderung weiblicher Führungskräfte sind wichtige Komponenten, um Barrieren für Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft abzubauen. In der Folge könnte sich das Bild von Frauen in Führungspositionen zunehmend im Gefüge der gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Kultur verankern. 

EU Start-up-Strategie: Diversität führt zum Erfolg  

Start-ups werden auch in den kommenden Jahren eine treibende Kraft für Innovation und wirtschaftlichen Fortschritt sein. Das scheint man auch auf europäischer Ebene so zu sehen. So wird die Europäische Union in der kommenden Legislaturperiode erstmals eine Kommissarin für Start-ups einsetzen. Damit kommt sie nicht zuletzt einer Forderung von Mario Draghi nach. Der ehemalige italienische Ministerpräsident und frühere Präsident der Europäischen Zentralbank bezeichnet in seinem Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit der Europäischen Union Innovationen und damit auch die Gründung von Start-ups als wichtige Faktoren für die zukünftige wirtschaftliche Entwicklung der Union. 

Ein zentrales Kriterium für den Erfolg dieser Start-up- und Innovationsstrategie wird das Thema Diversität sein. Denn sie fördert neue Perspektiven und Herangehensweisen, die für eine nachhaltige Entwicklung von Start-ups unerlässlich sind. Eine Unternehmenskultur, die Vielfalt in all ihren Formen wertschätzt und integriert, baut somit nicht nur Barrieren für Frauen ab, sondern setzt auch Innovationspotenziale frei. Von mehr Chancengerechtigkeit profitieren folglich nicht nur Frauen, sondern die Gesellschaft als Ganzes. 

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