Am Anfang war die Leidenschaft

Werte & Vision
22. Mai 2024

Wie wurde aus einer kleinen Berliner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ein internationaler Mittelständler, der mittlerweile M-Dax-Unternehmen auditiert? Dr. Christoph Regierer erinnert sich anlässlich seines 25-jährigen Jubiläums als Wirtschaftsprüfer an die Jahre zwischen Wende und Wachstum.

Herr Dr. Regierer, Sie sind heute Sprecher des Management Boards der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Mazars in Deutschland und Mitglied im Executive Board der Mazars Group. Dabei haben Sie Ihre Karriere als Anwalt und Steuerberater begonnen – welche Gründe haben Sie bewogen, 1999 zusätzlich das Wirtschaftsprüfungsexamen abzulegen?

Dr. Christoph Regierer: Das ging in erster Linie auf meinen ersten Arbeitgeber nach meinem Staatsexamen zurück: Dr. Röver & Partner – die Berliner Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, aus der später ja auch Mazars hervorging. Ich gebe ehrlich zu, dass es für mich anfangs schwer zu greifen war, was Wirtschaftsprüfer*innen im Kern eigentlich machen. Aber die Idee der Abschlussprüfung hat mich bei näherem Hinsehen dann schnell gepackt. Das lag sicherlich auch an den Persönlichkeiten, die diese Idee damals mit Leben füllten. Allen voran war es Ruprecht Röver, der mich für diesen Beruf begeistert hatte und der mich dann auch ausgebildet hat.

Worin lag diese frühe Faszination für die Idee der Abschlussprüfung?

Mich hat von Anfang an fasziniert, dass man hierdurch so tiefe Einblicke in ein Unternehmen bekommen konnte. Und dass man am Ende dieses Prozesses sogar in der Lage war, eine valide Beurteilung über das Unternehmen abzugeben. Auch wenn mir später klar geworden ist, dass sich diese Beurteilung nur auf die Gesetzeskonformität der Rechnungslegung bezieht – der Prozess eines Audits bleibt genauso einzigartig wie die Unternehmen, die es zu prüfen gilt. Für jemanden, der sich für Wirtschaft interessiert, gibt es keinen besseren Weg, in so kurzer Zeit etwas über die Unternehmenswirklichkeit zu erfahren als über eine Abschlussprüfung.

Konnten Sie Ihre Expertise als Anwalt und Steuerprüfer in Ihre Arbeit als Wirtschaftsprüfer einfließen lassen?

Um ein*e gute*r Wirtschaftsprüfer*in zu sein, ist es in der Tat sehr hilfreich, wenn man auch ein*e gute*r Steuerberater*in und ein*e gute*r Anwält*in ist. Auch die Bilanzierung hat schließlich eine gesetzliche Grundlage, alles Wesentliche dazu findet sich im Handelsgesetzbuch. Vor allem aber stärkt und schult die Multidisziplinarität den holistischen Blick auf die Dinge. Und genau den brauchen Abschlussprüfer*innen, um Bewertungen für international verzweigte Unternehmen abzugeben. Auch im Dialog mit den Aufsichtsgremien ist die Vernetzung der Bereiche nicht zu unterschätzen, da hier immer wieder auch Fragestellungen jenseits der Hoheitsgewässer von Abschlussprüfer*innen auftreten.

Die Wende war zum Jahrtausendwechsel keinesfalls vorbei

Welche Erlebnisse und Entwicklungen haben Ihre Anfangszeit als Wirtschaftsprüfer geprägt?

Auch wenn wir jetzt vom Jahr 1999 reden – für Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in Berlin war die Wende zu diesem Zeitpunkt noch keinesfalls vorbei. Das Gegenteil war der Fall: Die Wiedervereinigung mit all ihren Fragestellungen spielte eine überragende Rolle und prägte das Geschäft nach 89/90 noch mindestens eine Dekade. Wir waren als Prüfer*innen Teil dieses Umbruch- und Übergangssystems. Das heißt, wir befassten uns mit der Bewertung von Treuhand-Gesellschaften und ehemaligen Konglomeraten, setzten uns mit Restitutionsansprüchen auseinander und dergleichen. Das war eine wahnsinnig spannende Zeit, nicht nur mit Blick auf die beruflichen Herausforderungen. Es ging ja auch um menschliche Schicksale, die wir miterlebten und die uns bis heute berühren.

Spielten die internationalen Bilanzskandale Anfang der Nullerjahre auch eine Rolle?

Für mich als Wirtschaftsprüfer in Berlin spielten Enron und WorldCom, später auch der Zusammenbruch von Anderson, unmittelbar keine große Rolle. Für die Branche allerdings schon, denn die strukturellen Fragen, die sich an diese Ereignisse knüpften, führten später dazu, dass sich der Markt neu ordnete und eine neue Phase in unserem Geschäft einläuteten. Natürlich zog ich meine Schlussfolgerungen aus dieser Entwicklung. 

Welche waren das?

Vor allem war es die Erkenntnis, dass wir den Abschlussprüfungsmarkt nicht den Big 4 allein überlassen dürfen. Seitdem lasse ich mich von der Vorstellung leiten, dass es daneben auch die international aufgestellten Challenger geben sollte: Mittelständisch geprägte, leistungsfähige Einheiten, die die Abschlussprüfung als ihr Kernprodukt nicht aus der Hand geben.

Eine dieser Einheiten sollte sicherlich Röver & Partner werden – was bedeutete das für das Unternehmen?

Dass wir uns mit unseren Mandanten weiterentwickeln mussten. Da die Unternehmen, auch die mittelständischen, stark auf Wachstum und Internationalisierung setzten, mussten auch wir größer werden. So zeichnete sich schon damals ab, dass diese expandierenden Unternehmen ihre Abschlussprüfungsmandate nicht an Wirtschaftsprüfungsgesellschaften vergeben würden, die nur lokal aufgestellt waren. Um unser Kerngeschäft nicht nach und nach an die Big 4 zu verlieren, haben wir im Kreise der Partner*innen die strategische Entscheidung getroffen, mit unseren Strukturen nachzuziehen. Wir wollten eine Gesellschaft schaffen, die den gleichen Anspruch an Integration und Internationalität hat wie ihre Kunden.

Vergrößerung des Unternehmens im Vier-Jahres-Takt

Wie sind Sie dabei konkret vorgegangen?

Der erste Schritt war 2006 die Fusion mit der ebenfalls in Berlin ansässigen Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Broenner zu Roever Broenner – damit waren wir schon mal die Nummer Eins in der Hauptstadt. 2011 ging es weiter: wir fusionierten mit der renommierten Gesellschaft Susat in Hamburg zu Roever Broenner Susat. Wir haben also zunächst unsere regionale Struktur gestärkt und uns dann national aufgestellt. 2015 folgte schließlich der entscheidende Schritt in die Internationalisierung durch den Merger mit Mazars.

Eine Menge Veränderung in einer sehr kurzen Zeitspanne …

Wir haben uns alle vier Jahre durch Fusionen vergrößert – doch das war nicht so einfach. Fusionen waren damals vollkommen unüblich bei Prüfungsgesellschaften unserer Größe. Wir gehörten damals zu den Pionieren und haben dadurch die Entwicklung der Branche stark geprägt. Dass andere später ähnlich vorgegangen sind, hat uns gezeigt, dass wir der richtigen Vision folgen: eine international agierende Wirtschaftsprüfungsgesellschaft in der Mitte Europas zu errichten. Heute arbeiten allein in Deutschland etwa 2.500 Mitarbeiter*innen als One-Team zusammen. Und die Entwicklung bleibt auch nicht stehen, so bildet Mazars gemeinsam mit dem amerikanischen Unternehmen FORVIS ab 1. Juni 2024 ein globales Top-10-Netzwerk.

Was bedeutet das neue Netzwerk für Mazars und für die Mandanten?

Für Mazars bedeutet das neue Netzwerk eine deutlich erweiterte Präsenz auf dem so wichtigen US-amerikanischen Markt und damit eine ebenso umfassende wie konsistente globale Abdeckung. Wir signalisieren unseren Mandanten auf diese Weise, dass sie bei ihrer eigenen Internationalisierungsstrategie auf uns und unsere Expertise zählen können. Im Grunde folgen wir durch die Kooperation mit FORVIS also unserer bewährten Maxime: Wir unterstützen unsere Mandanten auf ihrem Wachstumspfad – und eröffnen uns dadurch selbst neue Wachstumschancen.

Herr Dr. Regierer, vielen Dank für das Gespräch. Wir freuen uns auf die Fortsetzung.

Wir setzen das Gespräch mit Dr. Christoph Regierer in den nächsten Wochen in unserem Blog fort. Dann wird es schwerpunktmäßig um die aktuellen Entwicklungstrends gehen, welche die Wirtschaftsprüfung prägen.

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