BaFin: Risiken im Fokus – Chancen im Prozess
Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat in ihrer Ausarbeitung „Risiken im Fokus“, welche eine Neuauflage der Ausarbeitung der „Aufsichtsschwerpunkte“ darstellt, erneut ihre Einschätzung der Risikolage publiziert. Was bedeutet das für Finanzdienstleister in Deutschland? Welche Folgen haben die Hauptrisiken für Versicherungsunternehmen, Kreditinstitute und Wertpapierdienstleister? Können diese wichtige Impulse für ihre eigenen Risiko- und Optimierungsprozesse mitnehmen?
Die Entwicklungen in der Finanzwelt verändern sich immer schneller. Neue Anforderungen von Aufsicht, Gesellschaft und Investoren sind die Konsequenzen. Sich nicht im Detail zu verlieren, ist herausfordernd, aber zwingend notwendig, um als Finanzdienstleister kurz-, mittel- und langfristig die richtigen Entscheidungen zu treffen.
Unternehmen verwenden viele Ressourcen auf die Risikoanalyse. Der Anteil der Analyse, welcher sich aus rein regulatorischen und sonstigen externen Anforderungen bedingt, steigt ständig. Unternehmen, die den Aufwand der externen Anforderungen für sich in der Unternehmens- und Risikosteuerung nutzen, haben einen Wettbewerbsvorteil. Dieser Blog-Beitrag soll Entscheider*innen dabei helfen, neben den externen Anforderungen an integrierte Risiko- und Optimierungsprozesse auch deren internen Nutzen zu erkennen.
Schwerpunkte und Risikobewertung im Wandel
Die im März 2022 veröffentlichte BaFin-Publikation ersetzt die früheren Publikationen zu den „Aufsichtsschwerpunkten“. Über die Zeit haben sich diese gewandelt und an die jeweiligen Gegebenheiten angepasst. Standen im Jahr 2018 noch Themen wie Kapitalmarktpfade für Solvency II und das Regulatory Supervisory Reporting (RSR) im Fokus, so sind es heute die Risiken aus Verwerfungen an den Finanz- und Immobilienmärkten. Dass die BaFin-Einschätzung auch als Trend gewertet werden kann, zeigen die Themen Nachhaltigkeit und Cybersicherheit, welche ebenfalls schon 2018 im Fokus waren und heute aktueller denn je sind.
Aufsichtsschwerpunkte und zu ergreifende Maßnahmen
Die folgenden sechs Schwerpunkte setzt die BaFin prominent in den Fokus. Jeder Schwerpunkt ist von Maßnahmen flankiert, welche die Risikobeherrschung zum Ziel hat. Die Maßnahmen sind Teil aufwendiger Eingaben der Marktakteure, die von den Marktakteuren selbst ebenso genutzt und entsprechend in den Prozessablauf integriert werden sollten.
1. Cyberrisiken
Die ordnungsgemäße Funktionsfähigkeit der IT ist für die Unternehmen des Finanzsektors und insbesondere für deren Kernprozesse immanent. Egal ob externe oder interne Gefahren, die BaFin geht von einer zunehmenden Risikoexponierung aus, bedingt durch die fortschreitende Digitalisierung. Weitere Risikotreiber sind die COVID-19-Pandemie, die durch Homeoffice eine größere Cyberangriffsfläche bietet, „mutmaßlich von Staaten“ betriebene Treiber sowie die verstärkte Auslagerung von IT-Aufgaben an Drittanbieter.
2. Korrekturen an den Immobilienmärkten
Der Wohnimmobilienmarkt berge „systemische Risiken“, so die BaFin. Mit diesen klaren Worten benennt die Aufsichtsbehörde die Risiken einer „Korrektur“ an den Immobilienmärkten. Die Gefahr liegt unter anderem in der Entkoppelung von „fundamentalen ökonomischen Parametern, etwa von den Einkommen“. Dies deckt sich mit der Beobachtung der Deutschen Bundesbank, welche von einer Überbewertung in diesem Sektor von bis zu 35 % ausgeht. Ähnliches gilt für den Markt der Gewerbeimmobilien.
Platzt die Immobilienblase, drohen dem Finanzsektor Darlehensausfälle, die in ihrer Folge die Realwirtschaft und die breite Masse der Bevölkerung empfindlich treffen können.
3. Korrekturen an den internationalen Finanzmärkten
Eine steigende Risikoexponierung sieht die BaFin an den internationalen Kapitalmärkten. Die Kombination aus aktuell niedrigen Zinsen am Kapitalmarkt, steigender Inflationsrate und zunehmender Wahrscheinlichkeit von Zinserhöhungen bietet Raum für potenziell „signifikante Korrekturen“. Die mit Bedacht gewählte Formulierung der BaFin gibt die Brisanz wieder. Die aktuelle Situation treibe die Finanzakteure dazu, ihr Anlageverhalten anzupassen, da risikoarme und verlässliche Kapitalanlagen keine auskömmliche Rendite abwerfen. Außergewöhnlich hohe Kurs-Gewinn-Verhältnisse am Aktienmarkt deuten auf eine Überhitzung der Märkte oder Marktsektoren hin.
4. Risiken durch das Niedrigzinsumfeld
Eines der größten finanziellen Risiken ist das Niedrigzinsumfeld. Darüber täuscht auch nicht die „Stagnation (→)“ der Risikoeinschätzung durch die Aufsicht hinweg. Allein die hohe Risikoklassifizierung ist unverändert, nicht die Auswirkungen dieses Risikos. Tief verwoben mit den vorausgehenden Risiken begünstigt das Niedrigzinsumfeld außerdem Klumpenrisiken bzw. ist Ursache für die Risikoexponierung in anderen Risikobereichen.
5. Ausfall von Unternehmenskrediten
Umsichtig klassifiziert die BaFin den Ausfall von Unternehmenskrediten als akutes Risiko im Fokus. Allerdings sind die Zahlen der Unternehmensinsolvenzen seit Jahren rückläufig. Wie passt dieses Bild zusammen? Geänderte Verbrauchergewohnheiten (Online-Handel) und die staatlichen Eingriffe im Rahmen der COVID-19-Pandemie, aber auch erhöhte Erzeugerpreise und Lieferengpässe sind Warnhinweise, die die BaFin aufnimmt. Die Darstellung dieses Risikos zeigt die Schwierigkeit im Umgang mit Risiken. So stellt die BaFin bewusst die Anzahl der historischen Insolvenzen ihren Argumenten für eine hohe Risikoklassifizierung gegenüber. Treffend wird damit eine einzelne quantitative Größe mit einem komplexeren qualitativ-quantitativen Konstrukt verglichen.
6. Unzureichende Geldwäscheprävention
Eine unzureichende Geldwäscheprävention hat direkte und indirekte Folgen. Direkt werden durch eine lückenhafte Geldwäscheprävention kriminelle/terroristische Akteure finanziert und damit Leib und Leben in Gefahr gebracht, indirekt drohen Reputations- und Abhängigkeitsrisiken. Als Teil der nationalen Risikoanalyse der Bundesregierung sind 35 Behörden in vier Arbeitsgruppen organisiert, um sich für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung einzusetzen.
Wie können Unternehmen, Führungskräfte und Risikoabteilungen reagieren?
Nach der Risikoidentifizierung folgen die Risikobewertung und die Risikoüberwachung. Die BaFin agiert mit einer Vielzahl von Maßnahmen, um die Akteure unter Aufsicht zu stellen, den Markt zu schützen und sich ein Bild über die jeweiligen Risiken zu verschaffen:
- Durchführung von Stresstests, um die Risikobelastbarkeit „Zins“ einzuschätzen
- Erlasse von Rundschreiben und Auslegungsentscheidungen zur Konsistenz des Verständnisses der anzuwendenden Regularien
- Rechtliche Instrumente zur Stabilitätssicherung (z. B. Festlegung des inländischen antizyklischen Kapitalpuffers)
- Analyse spezifischer Risikoindikatoren
- (Laufende) Durchführung von diversen Szenarioanalysen
Die obigen Maßnahmen erfordern immer ein Wirken der Marktakteure. Sei es, dass Kennzahlen zu liefern sind oder dass eigene Szenarioanalysen mit flankierenden Berichten zu erstellen sind. Dieses Wirken dient nicht nur einem aufsichtsrechtlichen Zweck. Auch die Marktakteure können aus den Anforderungen wertvolle Einsichten gewinnen. Dies geschieht in der Regel im Rahmen eines kontinuierlichen Risiko- und Optimierungsprozesses.
Einen kontinuierlichen Risiko- und Optimierungsprozess einrichten
Mit einem kontinuierlichen Risiko- und Optimierungsprozess können Unternehmen die Anforderungen der BaFin aktiv aufnehmen und entsprechend reagieren. Das Talent, aufsichtsrechtliche Anforderungen in den eigenen Risikoprozess aufzunehmen und zu verwerten, bietet Vorteile. Ressourcen werden effizienter genutzt, der eigene Risikostandpunkt wird laufend hinterfragt und die Kernkompetenz der Finanz- und vor allem der Versicherungswirtschaft – der Umgang mit Chancen und Risiken – wird gefördert.
Risiko- und Optimierungsprozesse sind ständig im Wandel. Die Prinzipien, nach denen diese gesteuert werden, sind es aber nicht. Risiken identifizieren, bewerten, überwachen und steuern, all das gehört zu den Grundlagen jedes Risikoprozesses. Die Verknüpfung mit einem Optimierungsprozess, welcher die Anforderungen der BaFin in den eigenen Risikoprozess integriert, macht aus einem Erstellungsaufwand einen Mehrwert. Dieser Mehrwert kann sich nicht nur in der Zusammenarbeit mit der BaFin zeigen, sondern auch in der Zusammenarbeit mit weiteren Stakeholdern, wie beispielsweise der Internen Revision oder den Wirtschaftsprüfer*innen. Nicht zuletzt äußert sich dieser Mehrwert im Ertrag aus einem effizienten Risikoprozessmanagement.
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