Bilanzierung von CO2-Emissionen: Was heißt das für Unternehmen?

Reform & Debatte
24. September 2024

Die EU hat sich verpflichtet, den Ausstoß ihrer Treibhausgase (THG) bis 2030 um 55 Prozent gegenüber 1990 zu reduzieren. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen auch die Unternehmen ihren Beitrag leisten. Die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) verpflichtet sie daher, ab 2025 ihre THG-Emissionen zu bilanzieren – und prüfen zu lassen.

Die großen deutschen Unternehmen müssen ihren Lagebericht ab dem Geschäftsjahr 2025 um einen Nachhaltigkeitsbericht erweitern. Dieser muss im Einklang mit der CSRD und den European Sustainability Reporting Standards (ESRS) stehen. Dazu gehört auch, dass die Unternehmen den Ausstoß ihrer Treibhausgase bilanzieren und einen Transitionsplan zur Emissionsminderung vorlegen müssen, um die Bestrebungen zur Unterstützung des 1,5-Grad-Ziels des Pariser Klimaabkommens zu unterstreichen. Die Bundesregierung hat hierzu im Juli dieses Jahres einen Gesetzesentwurf vorgelegt. Es wird noch 2024 mit dem Inkrafttreten des Gesetzes gerechnet.

Mit der THG-Bilanzierung verfolgt der Gesetzgeber im Wesentlichen drei Ziele:

  1. Die Auswirkungen des Unternehmens auf den Klimawandel sollen komplett erfasst werden. Dazu sollen die Unternehmen ihre wesentlichen Emissionsquellen entlang der kompletten Wertschöpfungskette identifizieren und quantifizieren.
  2. Durch die THG-Bilanzierung soll in den Unternehmen ein größeres Verständnis für klimabedingte Übergangsrisiken entstehen. Gleichzeitig sollen die Unternehmen auf der Basis der THG-Bilanz eine Klimaschutzstrategie mit konkreten Reduktionszielen entwickeln.
  3. Auf der Grundlage der Klimaschutzstrategie sollen die Unternehmen schließlich geeignete Maßnahmen ergreifen, um die eigenen Auswirkungen auf den Klimawandel zu mindern – und das sowohl innerhalb der betrieblichen Abläufe als auch entlang der eigenen Wertschöpfungskette.

Die Unternehmen müssen bei der THG-Bilanzierung insgesamt sieben Treibhausgase berücksichtigen: Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilfluorierte Kohlenwasserstoffe (HFKW), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (PFC), Schwefelhexafluorid (SF6) und Stickstofftrifluorid (NF3). Bei der Darstellung im Nachhaltigkeitsbericht müssen die jeweiligen Treibhausgase in CO2-Äquivalente umgerechnet und in Tonnen angegeben werden.

Grundsätzlich besteht eine Berichtspflicht zu Treibhausgasen, sofern Klimaschutz, Klimaanpassung und Energie nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit für Unternehmen relevant sind, wovon im Regelfall auszugehen ist. Nach dem Prinzip der doppelten Wesentlichkeit kann ein Thema aus zwei Gründen relevant sein. Erstens, wenn daraus Risiken oder Chancen für den Geschäftserfolg des Unternehmens entstehen. Oder zweitens, wenn aufgrund der Geschäftstätigkeit des Unternehmens signifikante Auswirkungen auf Mensch und Umwelt entstehen. Die Unternehmen müssen zudem darlegen, auf welche Weise sie die klimabezogenen Risiken überwachen. Hierbei müssen sie auch darauf eingehen, wie dieses Monitoring in das übergeordnete Risikomanagementsystem integriert ist.

Verantwortung für Bericht und externe Prüfungspflicht

Der Regierungsentwurf legt fest, dass Aufsichtsrat bzw. Prüfungsausschuss für die Überwachung der Nachhaltigkeitsberichterstattung verantwortlich sind – einschließlich der Systeme und Prozesse, die der Berichterstattung vorgelagert sind. Dies bedingt die Erweiterung interner Kontroll- und Risikomanagementsysteme im Hinblick auf den Prozess der Nachhaltigkeitsberichterstattung.

Voraussetzung für eine verlässliche Aufstellung des Nachhaltigkeitsberichts sind robuste Datenerhebungsprozesse. Viele Unternehmen haben bereits ein strukturiertes Klimaschutzmanagement eingerichtet, um etwa ihren CO2-Fußabdruck zu analysieren, und können Synergien zu vorhandenen Managementsystemen nutzen. Ein Beispiel wären hier Umweltmanagementsysteme, die auf dem ISO 14001 (ISO: International Organization for Standardization) beruhen. Erstellen die Unternehmen erstmals eine THG-Bilanz, sollten sie frühzeitig in geeignete IT-Tools investieren. Zudem ist es wichtig, dass sie anerkannte Datenbanken auswählen, mit denen sie beispielsweise Emissionsfaktoren ermitteln können.

Da der Nachhaltigkeitsbericht ein Teil des Lageberichts ist, wird er künftig von Wirtschaftsprüfer*innen auditiert. Das Ergebnis des Audits formulieren die Prüfer*innen in einem  gesonderten Prüfungsvermerk. Die Wirtschaftsprüfer*innen auditieren den Nachhaltigkeitsbericht zunächst mit „begrenzter Sicherheit“. Mittelfristig ist eine Prüfung analog zur Finanzberichterstattung geplant, also mit „hinreichender Sicherheit“.

Kategorisierung der Treibhausgasemissionen in drei „Scopes“

Die ESRS sehen eine verpflichtende Anwendung des Greenhouse Gas Protocol (GHG Protocol) als Rahmenwerk für die THG-Bilanzierung vor. Hierbei müssen die Unternehmen ihre THG-Emissionen drei Kategorien zuordnen, so genannten „Scopes“. Diese stellen sich wie folgt dar:

  • Scope 1 bezieht sich auf direkte Treibhausgase des Unternehmens. Gemeint sind Emissionen, die aus Quellen stammen, die unmittelbar zum Unternehmen gehören. Das können Treibhausgase sein, die etwa durch die eigenen Produktionsanlagen ausgestoßen werden. Aber auch die Abgase eines Firmenwagens fallen in diesen Bereich.
  • Scope 2 umfasst indirekte Emissionen, die bei der Produktion eingekaufter Energie, etwa Strom, Wasserdampf, Fernwärme oder -kälte, entstehen. Gemeint sind also Treibhausgase, die nicht vom Unternehmen selbst erzeugt werden, sondern quasi an anderer Stelle für das Unternehmen anfallen. Hier stellt sich beispielsweise oft die Frage nach der Bilanzierung von Grünstrom und Grünstromzertifikaten.
  • Scope 3 zieht noch einen weiteren Kreis und umfasst alle Emissionen, die entlang der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette des Unternehmens entstehen. Gemeint sind beispielsweise Treibhausgase, die aus der Herstellung und dem Transport von Vorprodukten resultieren. Auf der anderen Seite bezieht Scope 3 auch Emissionen ein, die vom Zeitpunkt der Auslieferung der Güter bis hin zu ihrer späteren Entsorgung entstehen.

Schon die Aggregation von Daten, die unter Scope 1 und 2 des GHG Protocol fallen, ist keinesfalls trivial. Eine echte Herausforderung für die betroffenen Unternehmen dürfte es gleichwohl sein, Daten zu den Emissionen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette zusammenzutragen (z. B. Primärdaten der Lieferanten). Da diese häufig nur eingeschränkt verfügbar sind, werden die Unternehmen hier vielfach auf Sekundärdaten aus anerkannten Datenbanken zurückgreifen müssen (z. B. Industriedurchschnitte). Häufig wird es zudem keinen anderen Weg geben, als Datenlücken durch Schätz- und Hochrechnungsverfahren zu schließen. Die Einbindung unterschiedlicher Fachbereiche, etwa des Einkaufs für die vorgelagerte Wertschöpfungskette, ist für die Bilanzierung der THG-Emissionen unabdingbar.

Weitere Fragestellungen betreffen die Umrechnung von Energiedaten in CO2-Äquivalente auf der Basis geeigneter Emissionsfaktoren.

Weiterführende Informationen zur „Emissionen entlang der Wertschöpfungskette“ von GHG Protocol erhalten Sie hier.

Unternehmensgrenzen definieren, Emissionskategorien zuordnen

Noch vor der eigentlichen Berechnung der Emissionen müssen die Unternehmen die Grenzen der Berichterstattung definieren. Nur so können sie entscheiden, welche Emissionen zu berücksichtigen und welchem Scope diese zuzuordnen sind. Für die THG-Bilanzierung gilt dabei das Prinzip der operativen Kontrolle (operational control): Gemäß ESRS sollen sich die Unternehmen hierbei in erster Linie an ihrem Finanzkonsolidierungskreis orientieren. Reicht die operative Kontrolle darüber hinaus, so sind die Grenzen für die Erfassung der Emissionen entsprechend zu erweitern. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn sich die Entscheidungsbefugnis auch auf den Betrieb von Anlagen eines Joint Ventures oder andere Unternehmensbeteiligungen erstreckt.

Im nächsten Schritt gilt es, die Emissionsquellen zu benennen, die unter Scope 1 und 2 anzuführen sind. Im Anschluss muss das Unternehmen analysieren, in welcher Form es sich Scope-3-Emissionen anrechnen muss. Das GHG Protocol definiert insgesamt 15 Kategorien, in denen vorgelagerte und nachgelagerte Emissionen anfallen können. Nicht alle diese Kategorien sind aber für jedes Unternehmen relevant. Welche es gleichwohl sind, das gilt es zu bestimmen.

Hat man die Unternehmensgrenzen definiert und das relevante Set seiner Scope-3-Emissionskategorien bestimmt, definieren die Unternehmen auf dieser Basis eine möglichst robuste Berechnungsmethodik. Diese sollte insbesondere die Kalkulation der Emissionen in der vor- und nachgelagerten Wertschöpfungskette und immer auch das so wichtige Wesentlichkeitskriterium berücksichtigen. Die Entwicklung solcher Rechenmodelle ist häufig das Ergebnis eines längeren iterativen Prozesses, der durch die Analyse der Datenverfügbarkeit und dem Mapping der vorliegenden Daten mit passenden Emissionsfaktoren bestimmt wird.

Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts analog zur Finanzberichterstattung

Jenseits der zu erlangenden Sicherheit bei der Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts ist das grundsätzliche Vorgehen mit der Prüfung der Finanzberichterstattung vergleichbar. Wirtschaftsprüfer*innen hinterfragen so beispielsweise die Robustheit der Prozesse inklusive des internen Kontrollsystems (IKS). Sie nehmen zudem Einsicht in ausgewählte Dokumente, zum Beispiel in Flow Charts der Fachbereiche oder in die Risiko-Kontroll-Matrix. Die Prüfer*innen hinterfragen zudem die Auswahl und Anwendung von Schätzverfahren und Methoden der Umrechnung. Und auch die Dokumentation wesentlicher Annahmen in einem dafür vorgesehenen Reporting Handbuch ist Teil des Audits. Bei der Gesamtwürdigung des Nachhaltigkeitsberichts wird darüber hinaus die Einhaltung der Mindestanforderungen an Strategie und Governance im Bericht beurteilt. Es ist wichtig zu beachten, dass es bei der Prüfung nicht nur um die THG-Emissionen geht. Für die Prüfer*innen ebenso wichtig ist der Transitionsplan und dessen Verlinkung zu den Angaben aus der EU-Taxonomie-Verordnung.

Fazit: Prüferische Begleitung schafft Sicherheit

Aufgrund der Komplexität des Themas ist es mehr als sinnvoll, Wirtschaftsprüfer*innen bereits frühzeitig im Rahmen einer „prüferischen Begleitung“ in den Prozess einzubinden. Auf diese Weise haben die Unternehmen die Sicherheit, ihre Ressourcen effektiv und effizient einzusetzen. So können sie methodische Auslegungsfragen frühzeitig klären, Prozesse vorläufig von den Prüfer*innen würdigen lassen und Doppelarbeiten vermeiden. Und am Ende des Tages legen sie eine THG-Bilanz und einen Transitionsplan vor, der den gesetzlichen Anforderungen entspricht.

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