Continuous Auditing: Übertriebener Hype oder echte Innovation?

Reform & Debatte
15. Juli 2024

Innovationen in der Abschlussprüfung stehen nicht gerade häufig auf der Tagesordnung. Mit dem „Continuous Auditing“ steht jetzt aber eine Entwicklung in den Startlöchern, in der einige Expert*innen einen echten Paradigmenwechsel sehen. Was ist wirklich dran an der kontinuierlichen Prüfung? Wer profitiert davon? Und wo liegen die Herausforderungen?

Die Idee des Continuous Auditing ist es, Daten nicht mehr zu bestimmten Zeitpunkten zu erheben, sondern diese jederzeit in Echtzeit einsehen zu können. Ließe sich der Ansatz in die Realität umsetzen, könnten stressige jährliche, halbjährliche oder vierteljährliche Berichtszeiträume entzerrt werden. Doch welche technologischen Voraussetzungen erfordert ein solches Verfahren? Bietet die kontinuierliche Prüfung darüber hinaus weitere Vorteile? Welche Personengruppen würden bei ihrem Einsatz profitieren? Vor welche Herausforderungen stellt die Methode Prüfer*innen und Techniker*innen? Vor allem aber stellt sich diese Frage: Ist ein Continuous Auditing, das diesen Namen wirklich verdient, überhaupt realisierbar?

Fragen wie diese sind nicht neu. Doch wurden sie bisher in der Regel lediglich separat voneinander beantwortet. Um eine valide Einschätzung darüber abzugeben, ob Continuous Auditing wirklich die Zukunft des Rechnungswesens einläutet, muss das Thema aber ganzheitlich in den Blick genommen werden. Das heißt, es müssen die Auswirkungen des neuen Ansatzes auf alle an der Erstellung von Jahresabschlüssen beteiligten Bereiche berücksichtigt werden. Diesen Versuch unternehmen wir in diesem Beitrag.

Weniger Stress und mehr Zeit für andere Themen?

Herkömmliche Rechnungslegungsverfahren beruhen auf der Erhebung von Daten zu bestimmten Zeitpunkten des Jahres. Obwohl sich dieser Ansatz bewährt hat, führt er doch häufig zu Verzögerungen. Das kann etwa dann vorkommen, wenn notwendige Daten nicht rechtzeitig zur Verfügung stehen. Diese Unregelmäßigkeiten im Informationsfluss setzen diejenigen, die die Jahresabschlussdaten in Unternehmen erheben, unter Druck – die Berichtspflichten müssen schließlich eingehalten werden. Beim Continuous Auditing dürfte es gar nicht erst zu solchen Stressphasen kommen. Da die Daten in Echtzeit überwacht werden, sollten sie auch jederzeit verfügbar und zugänglich sein. Dadurch bleibt mehr Zeit für andere wichtige Tätigkeiten, die im Rahmen der Rechnungslegung anfallen. So können die Expert*innen etwa neue Daten erfassen, die zu einem späteren Zeitpunkt benötigt werden, aber noch nicht im System hinterlegt sind. Oder sie konzentrieren sich in der gewonnenen Zeit auf die Analyse und Beseitigung von Anomalien in der Rechnungslegung, die sich auf die Genauigkeit der Berichterstattung auswirken könnten.

Mandant*innen könnten von mehr Transparenz profitieren

Auch Geschäftsleitung und Vorstandsmitglieder würden von der Methodik profitieren, könnten sie sich doch zu jedem beliebigen Zeitpunkt ein Bild des Jahresabschlusses verschaffen. Zudem hätten die Verantwortlichen mit Continuous Auditing die Möglichkeit, Finanzdaten auf täglicher, wöchentlicher oder monatlicher Basis zu vergleichen. Das würde ihnen nicht nur einen besseren Überblick über die finanzielle Leistung des Unternehmens verschaffen, sondern auch die nötige Flexibilität, um strategische Geschäftsentscheidungen genauer und belastbarer zu treffen.

Zeitgewinn könnte zu Qualitätsverbesserung beim Audit führen

Die aufgezeigten Vorteile des Continuous Auditing dürften die Prüfungsleistungen insgesamt verbessern. Durch den Zeitgewinn, den die Methode mit sich bringt, können sich Prüfer*innen auf kritische Gebiete in den jeweiligen Abschlüssen konzentrieren und Anomalien zeitnah identifizieren und mit dem*der Mandant*in besprechen. Darüber hinaus würde die Verbesserung des Datenflusses zu weniger Eingriffen in das zu prüfende Unternehmen führen und dessen Geschäftsabläufe so weniger stören.

Ungelöste Herausforderungen beim Thema Datenschutz

Es sind technologische Innovationen und vor allem der Einsatz Künstlicher Intelligenz (KI), welche die kontinuierliche Prüfung in absehbarer Zeit ermöglichen könnten. Wie gezeigt, würden durch ihren Einsatz zahlreiche Prozesse zur Datenerfassung und weitere standardisierbare Tätigkeiten entfallen. Die richtige Software wäre aber auch für Dashboards unerlässlich, die dem Management finanzielle Transparenz in Echtzeit präsentieren sollen. Die größte Herausforderung hierbei wird die Gewährleistung der Datensicherheit werden. Das Thema wird umso problematischer werden, je stärker der Online-Zugriff auf sensible Finanzdaten zunehmen wird. Da die KI in ihrer frühen Entwicklungsphase nur so gut sein wird wie die Daten, mit denen sie trainiert wird, müssen die Verantwortlichen vor ihrem Einsatz zahlreiche sicherheitsrelevante Fragen beantworten. So gilt es zu definieren, wie umfangreich der Zugriff der KI auf die Daten überhaupt sein darf. Auch muss geklärt werden, mit welchen Personengruppen welche Informationen geteilt werden dürfen.

Die Einführung der Technologie würde zudem bedeuten, dass auf einige Mitarbeiter*innen ein kultureller Wandel zukommt. Es ist wichtig, dass dies vor der Implementierung der Continuous Auditing-Systeme berücksichtigt wird, so dass sich die entsprechenden Personen darauf einstellen können. Auf diese Weise lassen sich die notwendigen Anpassungen später ohne Reibungsverluste umsetzen.

Traum oder Wirklichkeit?

Wäre die Technik bereits einsetzbar, würde wohl kaum ein Zweifel aufkommen, dass sich damit Qualitäts- und Effizienzsteigerungen erzielen lassen. Continuous Auditing würde die Spannung in den kritischen Berichtszeiträumen reduzieren und Prüfer*innen die Möglichkeit geben, ihre Expertise in andere Aspekte des Prüfprozesses einzubringen. Auch Unternehmen profitierten durch das höhere Maß an Transparenz, das die intelligente Technik in der Regel wohl mit sich brächte. Noch allerdings ist Continuous Auditing mehr Hype als realistische Hoffnung. So sind aktuell noch keine einsetzbaren Systeme auf dem Markt. Ob die kontinuierliche Prüfung Realität wird, hängt somit von der Entwicklung der erforderlichen Softwarelösungen und einer entsprechenden Implementierungsstrategie ab.

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