DCGK: Stärkere Zusammenarbeit von Aufsichtsrat und Prüfer*innen
Das Verhältnis von Wirtschaftsprüfer*innen und dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats wird neu kalibriert. Grundlage sind die Änderungen des Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) vom Juni 2022. Im Interview erläutert Dr. Jonas van Elten, Wirtschaftsprüfer und Senior Manager bei Mazars, die wesentlichen Neuerungen und zeigt auf, was sie für die Zusammenarbeit der Akteure bedeuten.
Welche Ziele haben die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex bei den jüngsten Änderungen des DCGK geleitet?
Dr. Jonas van Elten: Insgesamt hat die Regierungskommission drei Empfehlungen in den Kodex aufgenommen, die die Zusammenarbeit von Wirtschaftsprüfer*innen und Prüfungsausschuss neu justieren. Sie sollen primär für eine intensivere Zusammenarbeit der Akteure sorgen. So sollen die beiden Parteien erstens über die Prüfungsrisiken, die Prüfungsplanung und die Prüfungsergebnisse diskutieren. Sie sollen zweitens regelmäßig zum Fortgang der Prüfung im Austausch stehen. Drittens sollen sie regelmäßig gemeinsam auch ohne den Vorstand beraten.
Dass Prüfer*innen und Prüfungsausschuss über die Prüfung diskutieren sollen, hätte man vielleicht schon vor der Novellierung als Selbstverständlichkeit erwarten können – was ist das Neue daran?
Die bestehenden rechtlichen Normen zur Kommunikation der Abschlussprüfer*innen mit dem Prüfungsausschuss sehen eine eher einseitige Kommunikation vor. So sehen Aktiengesetz und Handelsgesetzbuch vor, dass die Abschlussprüfer*innen mündlich oder schriftlich über die Prüfung zu berichten haben. Auch die bisherigen Empfehlungen des DCGK in Bezug auf die Kommunikation der Akteure gehen im Wesentlichen von einer informativen Bringschuld der Prüfer*innen aus. Die Forderung nach einer Diskussion impliziert hingegen eine wechselseitige Kommunikation von Prüfer*innen und Prüfungsausschuss. Das gemeinsame Ziel beider Akteure – nämlich die Überwachung beziehungsweise Prüfung der Rechnungslegung – soll durch einen intensiveren Austausch noch besser erreicht werden.
Inwiefern hat diese Regelung Auswirkungen auf die konkrete Zusammenarbeit von Ausschuss und Prüfer*innen?
Einerseits unterstützen Prüfer*innen im Rahmen ihrer Berichterstattung den Prüfungsausschuss in der Ausübung der Überwachungsfunktion. Andererseits deutet der neue, reziproke Ansatz im DCGK nun an, dass auch Prüfer*innen mit Unterstützung von Seiten des Aufsichtsrats rechnen können. Das könnte aus meiner Sicht auf verschiedenen Ebenen erfolgen: Durch die proaktive Weitergabe von Informationen, speziell zu den Risikogebieten oder zur Integrität des Managements, kann der Prüfungsausschuss „informative Unterstützung“ leisten. Der Prüfungsausschuss könnte aber auch in der Kommunikation mit dem geprüften Unternehmen konkrete Hilfe anbieten oder das Prüfungsteam auch emotional unterstützen.
Auch die zweite Neuerung zahlt auf das Thema Kommunikation ein: Es soll ein regelmäßiger Austausch zwischen Ausschuss und Prüfer*innen erfolgen. Was hat es damit auf sich?
Das Neue dieser Regelung liegt im Aspekt der Regelmäßigkeit. So ging die bisherige Bestimmung von einer anlassbezogenen Kommunikation aus. Im Rahmen ihrer Frühwarnfunktion haben Abschlussprüfer*innen beispielsweise unverzüglich nach Bekanntwerden von Unregelmäßigkeiten oder bedeutsamen Problemen über die entsprechenden Sachverhalte zu berichten. Nun soll der Austausch gemäß Empfehlung des DCGK aber „regelmäßig“ erfolgen.
Sich regelmäßig zusammenzusetzen, kann ja nur gut und sinnvoll sein – oder wie bewerten Sie das?
In dem regelmäßigen Austausch soll es in erster Linie darum gehen, sich über den Fortgang der Prüfung auszutauschen. Dem/der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses fällt hierbei die Aufgabe zu, diese regelmäßigen Gespräche zu initiieren. Es bestehen jedoch einige Spielräume in Bezug darauf, wie häufig und wie intensiv der Austausch erfolgen sollte. In diesem Zusammenhang zeigen aktuelle Forschungsbeiträge, dass eine proaktive, engagierte Aufsicht durch den Prüfungsausschuss positive Effekte auf die Qualität der Abschlussprüfung haben kann. Allerdings könnte sie auch negative Implikationen mit sich bringen. Ein allzu proaktives Einfordern von Informationen durch den Prüfungsausschuss hat in einigen Studien die kritische Grundhaltung der Wirtschaftsprüfer*innen negativ beeinflusst.
Was könnte der Grund hierfür sein?
Eine Hypothese ist, dass Abschlussprüfer*innen, die sich einem aktiven und engagiert nachfragenden Prüfungsausschuss gegenübersehen, das Auftragsrisiko insgesamt geringer einschätzen. Unbewusst legen sie die Prüfung dann unkritischer an, als es geboten ist. Zumindest dieses Risikos sollten sich beide Akteure bewusst sein und im regelmäßigen Austausch berücksichtigen.
Der letzte der drei Punkte zielt auf Beratungen der Prüfer*innen mit dem Ausschuss auch ohne Mitglieder des Vorstandes ab – was verspricht sich die Regierungskommission dieser Novellierung?
Die Empfehlung ist im Kontext einer neuen Bestimmung im Aktiengesetz zu sehen. Demnach nimmt der Vorstand grundsätzlich nicht an Sitzungen des Aufsichtsrats oder des Prüfungsausschusses teil, wenn Abschlussprüfer*innen als Sachverständige hinzugezogen werden. Nur wenn eine Teilnahme des Vorstands als erforderlich angesehen wird, soll von diesem Grundsatz abgewichen werden. Der DCGK ergänzt diese gesetzliche Regelung und betont implizit, dass der Prüfungsausschuss die Teilnahme des Vorstands an den Beratungen mit den Prüfer*innen nur in bestimmten Fällen als erforderlich ansehen möge.
Was ist das Ziel dieser Regelung?
Es geht in erster Linie darum, einen geschützten, vertraulichen Austausch zwischen Wirtschaftsprüfer*innen und Prüfungsausschuss zu ermöglichen. Das kann sinnvoll sein, um es beiden Akteuren zu erlauben, unbefangener Informationen zu sammeln. Kommt es zu Spannungen zwischen Vorstand und Prüfer*innen, sollte der Ausschuss die Rolle eines Mediators annehmen – dann natürlich im Beisein aller Beteiligten.
Vielen Dank für das Gespräch.
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