Dialog der Gremien beim Audit: Kommunikation ist Pflicht

Reform & Debatte
19. Juni 2024

Reden ist Silber, Schweigen ist Gold – doch das alte Motto gilt nicht für Abschlussprüfer*innen. Fallen ihnen beim Audit Unregelmäßigkeiten auf, kommt sogar eine „ad hoc“-Redepflicht auf sie zu. Was sind das für Fälle? Und wie läuft die Kommunikation mit den Aufsichtsgremien generell ab? Antworten darauf haben Dr. Jonas van Elten und Nils Lempart.

Wirtschaftsprüfer*innen kommunizieren mit dem Aufsichtsrat nicht nur in der Schlussphase der Prüfung. Schon während des Audits kann es zu Situationen kommen, in denen sie sofort Alarm schlagen müssen – wann ist das der Fall?

Nils Lempart: Alarm zu schlagen, ist vielleicht nicht das richtige Bild, denn für Abschlussprüfer*innen gilt in der Regel eine Verschwiegenheitspflicht – auch gegenüber den Behörden und Aufsichtsstellen. Gleichwohl gibt es Sachverhalte, in denen Prüfer*innen keine Zeit verlieren dürfen, sondern ad hoc berichten müssen. Etwa wenn sie Verstöße aufdecken, also beabsichtigte oder vorsätzlich falsche Angaben in der Rechnungslegung. In einem solchen Fall müssen sie unverzüglich den Aufsichtsrat des Unternehmens informieren.

Erstaunlich, dass die Prüfer*innen auch bei Gesetzesverstößen und bewusster Täuschung nicht die Behörden und die Polizei einschalten müssen …

Nils Lempart: Es gibt durchaus Ausnahmen von der Regel der Verschwiegenheitspflicht. Wenn es sich bei dem betreffenden Mandanten um ein Unternehmen aus dem Banken- oder Versicherungsbereich handelt, besteht in einigen Fällen sogar eine explizite Meldepflicht. Die entsprechenden Verstöße werden im Kreditwesengesetz, Geldwäschegesetz und dem Versicherungsaufsichtsgesetz konkretisiert. Die Unterrichtung der Aufsichtsbehörden hat bei einigen Regelverstößen unverzüglich zu erfolgen.

Warum gilt diese Meldepflicht nur für die Unternehmen dieser Branchen?

Nils Lempart: Banken und Versicherungen gelten als Unternehmen von besonderem öffentlichen Interesse. Aufgrund ihrer herausgehobenen Stellung für Wirtschaft und Gesellschaft greifen bei ihnen somit Sonderregeln. Schwerwiegende Gesetzesverstöße der Geschäftsleitung oder bestandsgefährdende Tatsachen können hier insbesondere Folgen für die Einlagen der Sparer und die Gesamtwirtschaft haben. Aus diesem Grund müssen Abschlussprüfer*innen in einem solchen Fall die Aufsichtsbehörden sofort informieren. BaFin und Bundesbank haben dann die Chance, weitere Informationen zusammenzutragen und entsprechende Maßnahmen einzuleiten.

Sie sagen, Meldungen dieser Art seien ad hoc zu leisten – was ist darunter genau zu verstehen?

Dr. Jonas van Elten: Abschlussprüfer*innen haben dem Aufsichtsrat unverzüglich über wesentliche Feststellungen oder Prüfungshindernisse zu berichten. Die Informationstiefe und der Detaillierungsgrad müssen dabei dem Sachverhalt entsprechend angemessen gewählt werden. Ihrer Redepflicht haben Prüfer*innen dabei ohne weiteres Zögern nachzukommen. Sie müssen ihre Informationen also auch dann bereits weitergeben, wenn erst Anhaltspunkte für einen Regelverstoß vorliegen. Das heißt keinesfalls, dass sich Abschlussprüfer*innen nicht im Vorfeld juristischen Rat einholen könnten – sie dürfen nur nicht zu lange damit warten.

Wie verläuft die Kommunikation zwischen Abschlussprüfer*innen und Aufsichtsrät*innen generell im Rahmen eines Audits?

Dr. Jonas van Elten: Die Kommunikationspflichten der Abschlussprüfer*innen leiten sich unmittelbar aus den gesetzlichen Vorschriften ab. Sie sind beispielsweise verpflichtet, an der sogenannten „Bilanzsitzung des Aufsichtsrats“ teilzunehmen. In dieser berichten Prüfer*innen mündlich über die wesentlichen Ergebnisse und Feststellungen der Prüfung. Zudem reporten sie nach Beendigung der Prüfung schriftlich im Rahmen des Prüfungsberichts über festgestellte Unrichtigkeiten oder Verstöße in Bezug auf die Rechnungslegung. Die Kommunikationspflichten für Aufsichtsrät*innen leiten sich eher indirekt aus deren Pflicht ab, die Qualität der Abschlussprüfung und die Rechnungslegung des Unternehmens zu überwachen. Zur Erfüllung dieser Überwachungsfunktion sind sie auf den Dialog mit dem*der Abschlussprüfer*in angewiesen. 

Lässt sich aus dem Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) nicht auch eine Art Kommunikationspflicht des Aufsichtsorgans gegenüber den Abschlussprüfer*innen ableiten?

Dr. Jonas van Elten: Der DCGK spricht grundsätzlich nur Empfehlungen für die „Best Practice“ guter Unternehmensführung und -überwachung von börsennotierten Unternehmen aus. Es besteht insofern keine Pflicht, diesen Empfehlungen Folge zu leisten. Allerdings müssen Unternehmen Abweichungen von den Empfehlungen in einer sogenannten Entsprechenserklärung benennen und begründen.

Welche Empfehlungen gibt der DCGK den Unternehmen?

Dr. Jonas van Elten: Der Kodex empfiehlt unter anderem den regelmäßigen Austausch zwischen Abschlussprüfer*innen und dem Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats über alle Prüfungsphasen hinweg, um über Prüfungsrisiken, die Prüfungsstrategie und die Prüfungsergebnisse zu diskutieren. Laut Kodex sollen beide Parteien in einer Vereinbarung festhalten, dass sie sich unverzüglich über wesentliche Feststellungen und Vorkommnisse unterrichten. Aus diesen Empfehlungen lässt sich die besondere Bedeutung der Wechselseitigkeit des Austauschs ableiten, von der sowohl Prüfer*innen als auch Aufsichtsorgane profitieren können.

Man kann sich vorstellen, dass es auf diese Weise zu Spannungen zwischen Abschlussprüfer*innen und den Vorständ*innen als kontrollierter Instanz kommen kann. Was lässt sich tun, wenn es so weit kommt und die Kommunikation hier ins Stocken gerät?

Nils Lempart: Abschlussprüfer*innen stimmen ihre Kommunikation mit dem Aufsichtsorgan in der Regel vorab mit den Vorständ*innen ab, insbesondere wenn es um die Kommunikation von Prüfungsfeststellungen geht. Kommt es allerdings zu Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Akteur*innen, so kann der Prüfungsausschuss des Aufsichtsrats die Rolle eines Mediators übernehmen. Dieser hat bestenfalls das Vertrauen beider Parteien und sollte in der Lage sein, die Wogen zu glätten. So kann der Prüfungsausschuss helfen, die Kooperationsbereitschaft des Managements zu verbessern, die Akzeptanz der Abschlussprüfung zu erhöhen und eine fristgerechte Bearbeitung der Anforderungsliste sicherzustellen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Forvis Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn.

Kommentare

Antwort

Ihre E-Mail Adresse wid nicht veröffentlicht. Pflichtfelder sind markiert*.