Eigenmittelanforderungen nach CRR III: der neue Kreditrisiko-Standardansatz
Ziel des Baseler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel Committee on Banking Supervision, BCBS) ist es, die Stabilität und Widerstandsfähigkeit des Bankensektors zu stärken. Mit Basel III hat der Ausschuss auf die Finanzkrise von 2007/2008 reagiert und maßgebliche Änderungen in der Regulierung des Bankensektors vorgestellt. Sie sollen im Rahmen der „CRR III“-Verordnung und der „CRD VI“-Richtlinie in der EU umgesetzt werden.
In Teil 2 unserer WP-Blog-Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor beschreiben Isabel Carr, Hans Schoof und Jelena Saihhova von Mazars, welche Ziele die Aufsicht mit dem neuen Kreditrisiko-Standardansatz (KSA) verfolgt, wie sich diese Ziele in den regulatorischen Anpassungen manifestieren und was sich für Banken durch den neuen Standardansatz ändert.
Im Rahmen der Jahresabschlussprüfung müssen Wirtschaftsprüfer*innen die von den Kreditinstituten getroffenen Vorkehrungen zur ordnungsgemäßen Ermittlung der Kapitalquoten und somit der Eigenmittelanforderungen beurteilen. Änderungen der CRR III sind für die Prüfer*innen mit der Umstellung der Verfahren – auch für andere Risikoarten – zu beachten.
Welche Ziele verfolgt die Aufsicht mit dem neuen Kreditrisiko-Standardansatz?
Das Kreditrisiko, also das Risiko des Ausfalls einer Gegenpartei, stellt für Banken in der Regel das größte Risiko dar und ist daher bei der Ermittlung der Höhe der Eigenmittelanforderungen von besonderer Bedeutung. Um diese Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko zu ermitteln, können Institute entweder den aufsichtlichen Standardansatz oder ein internes Modell (Internal Ratings Based Approach, IRBA) verwenden. Der Standardansatz führt in der Regel zu höheren Kapitalanforderungen, ist jedoch weniger komplex als interne Modelle, die einer aufsichtsrechtlichen Zulassung bedürfen.
Der neue KSA soll nach dem aktuellen Entwurf der CRR III zum 1. Januar 2025 in Kraft treten. Mit den Änderungen verfolgt die Aufsicht unter anderem folgende Ziele: Sie will die Risikosensitivität des Standardansatzes erhöhen und die Risikogewichte anhand der jüngeren Historie nachschärfen. Ein weiteres Ziel, die Abhängigkeit von externen Ratings zu reduzieren, wurde in der Zwischenzeit weitgehend zurückgestellt.
Was heißt das für die Risikosensitivität und die risikogewichteten Aktiva (RWA)?
Alle Risikopositionen sind im KSA einer Risikopositionsklasse zuzuordnen, auf deren Grundlage die Risikogewichtung abgeleitet wird. Im Vergleich zur aktuell geltenden Version der CRR bedeutet der neue Standardansatz, dass einige Risikogewichte angepasst werden müssen. So geben die aktuellen Entwürfe zur CRR III höhere Risikogewichte für die Risikopositionsklassen „nachrangige Forderungen“ und „Beteiligungen“ vor.
Neu ist außerdem eine granularere Risikogewichtung der Risikopositionsklasse „Spezialfinanzierungen“. Wie im internen Modell wird auch künftig zwischen Projektfinanzierungen, Objektfinanzierungen und Rohstoffhandelsfinanzierungen unterschieden. Objektfinanzierungen mit einem Risikoprofil von „hoher Qualität“ können besonders privilegiert behandelt werden.
Weitreichende Änderungensind für „Immobilienfinanzierungen“zu erwarten.Zwar wird in der Risikopositionsklasse „durch Immobilien besicherte Risikopositionen“ weiterhin zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien unterschieden. Allerdings ist künftig mehr Granularität gefordert. So wird nach der Art der Finanzierung der Risikoposition und nach der Phase, in der sich die Immobilie befindet (z. B. Bauphase im Vergleich zur fertiggestellten Immobilie) unterschieden. Zusätzlich soll es zukünftig eine besondere Behandlung von Darlehen für Immobilien geben, deren Rückzahlung hauptsächlich von den durch die Immobilie generierten Zahlungsströmen abhängt (Income Producing Real Estate, IPRE).
Wie hoch die Auswirkungen des neuen KSA auf die Eigenmittelanforderungen von Banken tatsächlich sein werden, lässt sich nicht pauschal beantworten, weil sie maßgeblich von den für das Institut besonders relevanten Risikopositionsklassen und damit auch vom Geschäftsmodell der Bank abhängig sind.
Welche Rolle spielen externe Ratings in Zukunft?
Das ursprüngliche Bestreben des Baseler Ausschusses, die Abhängigkeit von externen Ratings zu reduzieren, wurde deutlich entschärft. Für die Ermittlung des Kreditrisiko-Standardansatzes spielen externe Ratings also weiterhin eine große Rolle. Gleichwohl plant die Aufsicht, die Ratingdichte – insbesondere für Unternehmen – zu erhöhen. Die europäischen Aufsichtsbehördensollen daher einen Bericht über die Hindernisse für die Verfügbarkeit externer Ratings und über mögliche Abhilfemaßnahmen erarbeiten.
Was bedeutet der neue Output Floor für die Institute?
Die Aufsicht verfolgt auch das Ziel, die Vergleichbarkeit zwischen Banken sowie zwischen IRBA- und KSA-Ansätzen zu erhöhen. Daher sind alle Institute mit Einzug einer Eigenmitteluntergrenze („Output Floor“) zur Berechnung der risikogewichteten Aktiva (RWA) anhand der Standardansätze verpflichtet. Das gilt auch für Institute, die für die Ermittlung der Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko den IRBA verwenden. Der Output Floor begrenzt die aus internen Modellen ermittelten Eigenmittelanforderungen nach unten und entspricht einem prozentualen Anteil der anhand der Standardansätze ermittelten RWA. Die neue Eigenmitteluntergrenze wird im Januar 2025 eingeführt und bis Januar 2030 sukzessive von 50 % auf 72,25 % angehoben.
Dies führt dazu, dass Standardansätze im Vergleich zu internen Modellen an Bedeutung gewinnen. Institute, die bislang interne Modelle nutzen, müssen somit nicht nur den neuen KSA operationalisieren, sondern auch entscheiden, ob sie die Ermittlung der Kapitalunterlegung für das Kreditrisiko anhand interner Modelle fortsetzen wollen. Der Anreiz, vollständig auf den Standardansatz umzusteigen, steigt mit dem Anstieg des Output Floor.
Was folgt aus den Neuerungen?
In der Regel ist das Kreditrisiko der stärkste Treiber für die Höhe der Eigenmittelanforderungen. Den neuen Kreditrisiko-Standardansatz samt Output Floor werden alle Institute umsetzen müssen – also auch jene, die ihre Eigenmittelanforderungen für das Kreditrisiko mit internen Modellen ermitteln. Um abschätzen zu können, inwieweit die Eigenmittelanforderungen steigen werden, führen einige Banken bereits Auswirkungsstudien durch. Je nach Geschäftsmodell kann das erhebliche Folgen für die Kapitalquoten haben, sodass mit Einführung des neuen KSA auch strategische Abwägungen auf die Institute zukommen werden.
Hilfreiche Links:
Entwurf der CRR III (Änderung der Verordnung (EU) 575/2013 (CRR))
Entwurf der CRD VI (Änderung der Richtlinie 2013/36/EU (CRD))
Lesen Sie dazu auch Teil 1 unserer WP-Blog-Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor: Was hat sich bei der Berechnung der Eigenmittelanforderungen für das operationelle Risiko der Banken geändert? Teil 3 beleuchtet die Änderungen für den Internal Ratings-Based Approach, der auf internen Einstufungen basiert. Teil 4 der Serie beschäftigt sich mit dem neuen Output-Floor. In Teil 5 unserer Serie zu den neuen aufsichtsrechtlichen Vorgaben im Bankensektor geht Irina Ursachi auf die neuen Eigenmittelanforderungen für das Credit Valuation Adjustment Risiko ein.
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