Frauen in Wirtschaft und Wirtschaftsprüfung
In Deutschland sind Frauen in Führungspositionen weiterhin unterrepräsentiert. Sie verdienen für die gleiche Arbeit weniger Geld als ihre männlichen Kollegen. Das gilt für die Wirtschaft im Allgemeinen, aber auch in der Wirtschaftsprüfung.
Dass Frauen in der Wirtschaftsprüfung in der Minderheit sind, zeigen aktuelle Zahlen der Wirtschaftsprüfungskammer (WPK): So sind laut einer Statistik der Wirtschaftsprüferkammer vom Januar 2024 von 14.950 Wirtschaftsprüfer*innen in Deutschland lediglich 2.811 Frauen, was einem Anteil von 18,8 Prozent entspricht. Von den etwa 700 Personen, die jedes Jahr das „Wirtschaftsprüfer-Examen“ ablegen, sind nur etwa 20 Prozent Frauen. Der Frauenanteil innerhalb der Mitglieder der WPK liegt in den Altersgruppen der unter 40-Jährigen mittlerweile bei rund 30 Prozent, während er in den älteren Altersgruppen teilweise deutlich unter der 20-Prozent-Marke verharrt. Eine Branche, die wie die Wirtschaftsprüfung und Steuerberatung durch Nachwuchsprobleme sowie Personalengpässe gekennzeichnet ist, vergibt hierdurch Chancen.
Frauen schon in Ausbildung unterrepräsentiert
Die Diskrepanz der Geschlechter in der Wirtschaftsprüfung fängt bereits bei der Ausbildung an. Frauen sind im Studienbereich der Wirtschaftswissenschaften, der für die Karriere als Wirtschaftsprüfer*in besonders beliebt ist, unterrepräsentiert.
Doch das Wirtschaftsstudium allein ist nicht der Grund, warum Frauen so selten den Weg in die Wirtschaftsprüfung finden. Hinzu kommen weitere geschlechtsspezifische Hürden, die Frauen auch in anderen Branchen ausbremsen. Es sind vor allem die mangelnde Flexibilität und die schwierige Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben, die Frauen sowohl in der Wirtschaftsprüfung als auch in anderen Wirtschaftsbereichen vor besondere Herausforderungen stellen. Insbesondere in der Examensvorbereitung sind Frauen häufig einer hohen Doppelbelastung ausgesetzt. Abhilfe könnten Familienplattformen zur Betreuung von Kindern und Jugendlichen schaffen, die Frauen in dieser Phase unterstützen. Unternehmen können auch sogenannte Employee Ressource Groups (ERGs) einrichten, die gezielt Eltern miteinander vernetzen. Diese Angebote können jedoch nicht alle strukturellen Hürden überwinden, mit denen Frauen auf ihrem Karriereweg konfrontiert sind. Die Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen ist zudem kein Problem der Wirtschaftsprüfungsbranche allein. Es lohnt sich deshalb, einen Blick auf die allgemeine Entwicklung von Frauen in Führungspositionen zu werfen.
Der Weg zur Quote – ein Blick auf Wirtschaft und Gesellschaft
Wie in den meisten EU-Ländern sind Frauen auch in Deutschland in Führungspositionen, wie etwa in Vorständen und Aufsichtsräten, unterrepräsentiert. Aus diesem Grund haben viele Länder Frauenquoten als gesetzliche Regelungen für diese Gremien erlassen. Das Ziel der Frauenquote ist es, Frauen einen gerechten Zugang zu Schlüsselpositionen zu ermöglichen, wodurch sich Machtungleichheiten verändern können. In Westdeutschland entstand die Forderung einer Quote Ende der 70er Jahre durch die neue Frauenbewegung. Parallel dazu wurde die Quote auch Gegenstand wissenschaftlicher Untersuchungen, primär im Bereich der Rechtswissenschaften. Zunächst lag der Fokus der wissenschaftlichen Auseinandersetzung auf der Frage der Verfassungsmäßigkeit von Quoten. Im Anschluss daran entwickelte sich in den 80er Jahren ein neues Verständnis von Art. 3 GG als Gleichstellungsauftrag. Dies wiederum führte zur Erkenntnis, dass Diskriminierungsverbote und die gesetzliche Gleichbehandlung von Männern und Frauen nicht ausreichten, um tatsächliche Gleichberechtigung in der alltäglichen Lebensrealität von Frauen herzustellen. Solange faktische Nachteile für Frauen bestünden, seien Quoten als praktische Maßnahmen zur Förderung von Frauen vereinbar mit der Verfassung. Es dauerte gleichwohl noch bis ins Jahr 1994 – erst dann beschloss der Bundestag eine entsprechende Ergänzung des Art. 3 GG. In seinem zweiten Absatz heißt es seitdem: „Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.“ Noch im gleichen Jahr legte Angela Merkel, damals noch als Bundesfrauenministerin, einen Gesetzesentwurf vor, um den Frauenanteil in Spitzenpositionen im öffentlichen Dienst zu erhöhen. Doch erst 2015, also mehr als 20 Jahre später, verabschiedete der Bundestag das „Gesetz für die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern an Führungspositionen in der Privatwirtschaft und im öffentlichen Dienst“. Durch dieses Gesetz wurde die Rechtslage um ein objektiv-rechtliches Förderangebot erweitert.
Das Führungspositionen-Gesetz (FüPoG I) enthielt eine 30-Prozent-Quote für Frauen in Aufsichtsgremien von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen. Zusätzlich gaben mittelgroße Unternehmen eine Selbstverpflichtung ab, den Frauenanteil in Führungspositionen zu erhöhen. Kurz nach Einführung des FüPoG I wurde deutlich, dass die Quotenregelung zwar ihre gewünschte Wirkung im Aufsichtsrat zeigte. Klar wurde aber auch, dass diese in den operativen Bereichen, also im Vorstand oder in der Geschäftsführung, ausblieb. Daher wurde im Jahr 2021 das FüPoG II beschlossen, das eine Mindestbeteiligung von einer Person des unterrepräsentierten Geschlechts in Vorständen von börsennotierten und paritätisch mitbestimmten Unternehmen vorsieht, sofern deren Vorstand aus mindestens vier Personen besteht.
Die Bemühungen, den Frauenanteil in leitenden Positionen zu erhöhen, hat in Deutschland zunächst zu einer Verbesserung der rechtlichen Rahmenbedingungen für Frauen geführt. Trotz dieser rechtlichen Fortschritte bleibt die tatsächliche Gleichstellung der Geschlechter in Schlüsselpositionen ein herausforderndes Ziel. Von der Quote, die das FüPoG I für den Aufsichtsrat vorsieht, sind derzeit rund 100 Unternehmen betroffen. Von der Mindestbeteiligung des FüPoG II sind es derzeit etwas mehr als 60 Unternehmen, wie das aktuelle Managerinnenbarometer zeigt. Bis heute lassen sich eine Unterrepräsentation von Frauen in Führungspositionen sowie eine ungleiche Bezahlung der Geschlechter beobachten. Insbesondere kleine und mittelständische börsennotierte Unternehmen haben nach einer Einschätzung der AllBright-Stiftung Aufholbedarf: Zwar wächst der Frauenanteil in Vorständen und Aufsichtsräten in den 160 größten Börsenunternehmen, und es gibt mehr Unternehmen mit Frauen im Vorstand (94/160) als Unternehmen, in denen keine Frau im Vorstand vertreten ist (66/160). Allerdings haben noch immer 71 der 160 börsennotierten Unternehmen nur eine einzige Frau im Vorstandsteam, und noch immer handelt es sich bei knapp 83 Prozent der Vorstandsmitglieder um Männer.
Auch im Hinblick auf Wirtschaftsprüfer*innen zeigen die Führungspositionen-Gesetze Auswirkungen: Stellen diese im Rahmen der Jahresabschlussprüfung fest, dass die Angaben zur Frauenquote unvollständig sind, so ist nach dem neuen Prüfungsstandard (EPS 351) des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) nur ein eingeschränkter Bestätigungsvermerk zu erteilen.
Etablierte Denk- und Handlungsmuster verhindern spürbare Veränderungen
Untersuchungen haben neben der fehlenden paritätischen Besetzung von Führungspositionen noch ein weiteres Problem identifiziert: Frauen scheiden doppelt so häufig und frühzeitiger aus Top-Positionen aus als ihre männlichen Kollegen. Während aus Vorstandspositionen ausscheidende Männer meistens in den Aufsichtsrat wechseln, verlassen Frauen nach ihrer Zeit im Vorstand in der Regel das Unternehmen komplett. Doch auch in anderen Spitzenpositionen sind Frauen unterrepräsentiert: Bei paritätisch mitbestimmten Unternehmen beträgt der Frauenanteil in der ersten Führungsebene unterhalb des Vorstands auch heute noch lediglich 21 Prozent, bei paritätisch mitbestimmten sowie börsennotierten Unternehmen sind es sogar nur rund 17 Prozent. Dabei haben sich 167 Unternehmen zu Zielgrößen hinsichtlich des Frauenanteils in der ersten und 144 Unternehmen in der zweiten Managementebene verpflichtet, wie der WoB-Index (Women on Board) der Initiative Frauen in die Aufsichtsräte (FidAR) zusammenfasst.
Die Ursachen für den zu geringen Anteil von Frauen in Führungspositionen sind vielschichtig. Philine Erfurt Sandhu, Diversity-Expertin und Akademische Leiterin bei der Hochschule für Wirtschaft und Recht in Berlin, hat die Gründe untersucht, warum Männer dazu neigen, in Führungsetagen eher unter sich bleiben zu wollen. Ein Erklärungsansatz könnte laut Sandhu in der sogenannten Pfadtheorie zu finden sein, die zunächst begründet, warum Unternehmen an sich ändernden Umweltanforderungen scheitern. Überträgt man diese Ursachenerklärung auf die Besetzung von Führungspositionen, so wird klar, dass der zuvor verfolgte Pfad der organisatorischen Denk- und Handlungsmuster sich häufig als Sackgasse herausstellt. Konkret bedeutet das: Die Unternehmen wollen Top-Positionen mit Frauen besetzen, scheitern aber an deren Integration. Stereotype und Vorurteile spielen hierbei eine entscheidende Rolle. Negative Geschlechter-Stereotype von Mitarbeiter*innen in Bezug auf die Führungskompetenzen von Frauen beeinflussen folglich auch die Einstellungsentscheidungen von Personalverantwortlichen.
Gender Pay Gap
Der Gender Pay Gap beschreibt die Diskrepanz in den durchschnittlichen Einkommen von Männern und Frauen. In Deutschland beträgt der bereinigte Gender Pay Gap laut Statistischem Bundesamt aktuell etwa sechs Prozent. Bei der Berechnung des bereinigten Gender Pay Gaps wird im Unterschied zum unbereinigten davon ausgegangen, dass eine Frau und ein Mann statistische Zwillinge sind – dass sie sich also hinsichtlich der Karrierestufe, Betriebszugehörigkeit und anderen strukturellen Merkmalen gleichen. Der verbleibende Gehaltsunterschied kann nur über das Geschlecht erklärt werden. Dieser Unterschied hat erhebliche finanzielle Auswirkungen für Frauen, da sie über ihre berufliche Laufbahn hinweg deutlich weniger Einkommen und finanzielle Sicherheit aufbauen können. Dies wirkt sich besonders auf die Höhe der Rente aus.
Die Gründe für den Gender Pay Gap sind komplex und umfassen strukturelle sowie individuelle Faktoren. Unterschiede in beruflichen Hierarchien, geschlechtsspezifische Diskriminierung sowie traditionelle Geschlechterrollen und Erwartungen sind relevante Aspekte, die zu dieser Ungleichheit beitragen. Eine intersektionale Perspektive verdeutlicht den Sachverhalt. Dabei wird die Verschränkung und Gleichzeitigkeit verschiedener Diskriminierungsformen berücksichtigt. So sind Frauen mit Migrationshintergrund, die gleichzeitig einen niedrigen sozioökonomischen Status haben, beim Gender Pay Gap noch stärker strukturell benachteiligt.
Gerechte Chancen für alle durch Diversity Management
Diversity Management umfasst Strategien und Maßnahmen zur Förderung von Vielfalt und Inklusion in Organisationen. Ziel ist es, eine Arbeitsumgebung zu schaffen, die gerechte Chancen und Rahmenbedingungen für Mitarbeiter*innen schafft – unabhängig von Geschlecht, ethnischer Herkunft, Alter, sexueller Orientierung, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, Religion und Weltanschauung oder anderen Dimensionen der Vielfalt.
Es ist von entscheidender Bedeutung, dass Unternehmen gezielte Maßnahmen ergreifen, um die Repräsentation von Frauen in Führungspositionen zu erhöhen und den Gender Pay Gap zu reduzieren. Dazu gehören transparente Vergütungsstrukturen und Beförderungsprozesse, gezielte Personalentwicklungsprogramme und die Förderung von Chancengerechtigkeit weiblicher Karrierewege. Die Berücksichtigung von Intersektionalität kann dazu beitragen, dass alle Frauen faire Chancen erhalten und in ihrer Vielfalt repräsentiert und respektiert werden.
Insgesamt sind eine vielfältige und inklusive Arbeitsumgebung sowie eine verstärkte Repräsentation von Frauen in Führungspositionen wichtige Schritte, um die Geschlechtergleichstellung voranzubringen, und können dabei helfen, den Gender Pay Gap zu verringern. Dies erfordert eine systematische und umfassende Auseinandersetzung mit den zugrunde liegenden strukturellen Benachteiligungen und die konsequente Umsetzung von geeigneten Gegenmaßnahmen durch die Unternehmen.
Fazit: Der Frauenanteil in der Wirtschaftsprüfung wächst nur langsam
So wie in anderen Bereichen der Wirtschaft sind Frauen auch in der Wirtschaftsprüfung in Führungspositionen unterrepräsentiert. Der Frauenanteil der WPK-Mitglieder liegt in den Altersgruppen der unter 40-Jährigen mittlerweile bei rund 30 Prozent, während er in den älteren Altersgruppen teilweise kaum über die 20-Prozent-Marke hinauskommt. Zwar zeichnet sich somit eine positive Entwicklung ab, allerdings bedarf es weiterhin einer konsequenten Durchsetzung politischer Regelungen wie bessere Kita-Angebote sowie kontinuierlicher unternehmerischer Maßnahmen. Zudem ist der Gesetzgeber gefragt, um die Berufstätigkeit von Frauen attraktiver zu machen. Dazu gehören zuallererst eine verpflichtende paritätische Aufteilung der Elternzeit und eine Abschaffung des Ehegattensplittings.
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