
Konzernabschlussprüfung: Mit Planung, Koordination sowie globaler Vernetzung zum Erfolg
Die internationale Konzernabschlussprüfung stellt Prüfer*innen vor besondere Herausforderungen. Erforderlich sind fundiertes Know-how über Rechnungslegungs- und Prüfungsstandards sowie die Fähigkeit, global agierende Expertenteams zu koordinieren. Im Interview erklärt Patrick Riedel, worauf es dabei ankommt.
In welchen wesentlichen Punkten unterscheidet sich ein Konzernabschluss von einem Einzelabschluss?
Patrick Riedel: Der Einzelabschluss zeigt die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage eines einzelnen Unternehmens als rechtlich selbstständige Einheit, während der Konzernabschluss dies für eine Unternehmensgruppe zusammenfasst, als wäre sie ein einziges Unternehmen. So werden im Konzernabschluss die internen Transaktionen, Forderungen, Verbindlichkeiten und Erträge sowie Aufwendungen zwischen den einzelnen Tochterunternehmen eliminiert, also ausgeglichen, um eine konsolidierte und transparente Darstellung der gesamten Unternehmensgruppe zu gewährleisten.
Der Einzelabschluss dient primär steuerlichen und handelsrechtlichen Zwecken und bildet oft den Bezugsrahmen, wenn es um die Frage der Verwendung und Ausschüttung von Gewinnen geht. Der Konzernabschluss gibt Investoren, Analysten und anderen Stakeholdern eine umfassendere Sicht auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der gesamten Unternehmensgruppe und ist kein Ausschüttungssubjekt.
Wie kann eine einheitliche Bilanzierung gelingen, wenn der Konzern stark internationalisiert ist?
Um sicherzustellen, dass der Konzernabschluss konsistent und nach einheitlichen Grundsätzen erstellt wird, ist ein konzernweites Bilanzierungshandbuch von entscheidender Bedeutung. Dieses Handbuch gewährleistet, dass die gleichen Bilanzierungsregeln sowohl bei der Muttergesellschaft als auch bei den internationalen Tochtergesellschaften angewendet werden. Beispielsweise dürfen Vorräte derselben Kategorie nicht unterschiedlich bewertet werden. Das Bilanzierungshandbuch stellt die Einhaltung dieser Prinzipien sicher. Anschließend ist es die Aufgabe der Konzernabschlussprüfer*innen, sicherzustellen, dass die Bewertungen tatsächlich einheitlich und korrekt vorgenommen und das Bilanzierungshandbuch konzernweit eingehalten wurden, um die Integrität des Konzernabschlusses zu gewährleisten.
Wie lässt sich Chaos aufgrund unterschiedlicher Rechnungslegungsstandards verhindern?
Die Lösung ist auch hier das konzernweite Bilanzierungshandbuch – und zwar im besten Fall im Zusammenspiel mit einem gemeinsamen Konsolidierungssystem. In dieses geben die Mitarbeiter*innen der Tochterunternehmen ihre lokalen Zahlen ein und überführen sie damit in die Form der im Konzern genutzten Rechnungslegungsnormen. Diese können entweder auf den International Financial Reporting Standards (IFRS), den lokalen Regelungen oder, wenn der Konzern seinen Sitz in Deutschland hat, auf dem Handelsgesetzbuch (HGB) beruhen.
Nicht nur die Rechnungslegungsstandards können in einzelnen Ländern variieren, sondern auch die Prüfungsstandards. Wie geht man damit als Konzernabschlussprüfer*in um?
Was das Bilanzierungshandbuch bei der Rechnungslegung ist, sind die „Audit Instructions“ im Prüfungsprozess. Die Konzernabschlussprüfer*innen übermitteln diese an die Kolleg*innen vor Ort und stellen damit sicher, dass die Prüfungen auch der Tochtergesellschaften ordnungsgemäß und nach einheitlichen Vorgaben erfolgen. Damit das gelingt, müssen die Audit Instructions frühzeitig verschickt werden. Die Prüfer*innen in den Ländern – die übrigens in manchen Fällen auch von anderen Prüfungsgesellschaften kommen können – müssen ausreichend Zeit haben, sich mit den Anforderungen auseinanderzusetzen und sich auf sie einzustellen. Wenn es sich um Prüfer*innen aus dem gleichen globalen Netzwerk handelt, welche ohnehin bereits auf Basis der gleichen internen Regelungen arbeiten, ist dies weniger herausfordernd.
Seit Anfang dieses Jahres gilt für Konzernabschlussprüfungen international der überarbeitete Prüfungsstandard ISA 600 (Revised) – welche Neuerungen ergeben sich hierdurch?
Das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) hat einige wesentliche Änderungen für die Konzernabschlussprüfung formuliert, insbesondere unterstreicht es in seinem ISA 600 (Revised) noch einmal die hohe Verantwortung der Konzernabschlussprüfer*innen in zahlreichen prüfungsrelevanten Bereichen. Es formuliert aber auch neue Pflichten für die Konzernabschlussprüfer*innen. So legt der Standard fest, dass die Konzernprüfer*innen die Beurteilung der Risiken, die Prüfungsstrategie und die Arbeit der Teilbereichsprüfer*innen detaillierter dokumentieren müssen. Ziel der Maßnahme ist es, die Transparenz gegenüber den Aufsichtsbehörden zu erhöhen und die Prüfung allgemein nachvollziehbarer zu machen (für weitere Details siehe Exkurs).
Exkurs:
Mehr Verantwortungen für Prüfer*innen durch den ISA 600 (Revised)
Das International Auditing and Assurance Standards Board (IAASB) erarbeitet mit seinen International Standards on Auditing (ISA) weltweit gültige Prüfungsstandards und legt damit grundlegende Prinzipien und Verfahren fest, die Wirtschaftsprüfer*innen bei der Durchführung von Abschlussprüfungen befolgen müssen. Kürzlich hat das IAASB seinen Standard ISA 600 überarbeitet, der Leitlinien zur Prüfung von Konzernabschlüssen formuliert. Der ISA 600 (Revised) mit dem Titel „Besondere Überlegungen – Prüfungen von Konzernabschlüssen“ gilt international bereits seit Anfang 2024, in Deutschland muss er für Konzernabschlüsse mit Stichtag zum 31. Dezember 2025 angewendet werden.
Der ISA 600 (Revised) bringt einige wesentliche Änderungen für die Konzernabschlussprüfung mit sich, insbesondere in Bezug auf die Verantwortung, aber auch die Pflichten der Konzernabschlussprüfer*innen. So verortet der überarbeitete Standard die Verantwortung für die Umsetzung zahlreicher relevanter ISA explizit bei den Konzernabschlussprüfer*innen. Auch mit Blick auf die konzernweiten Prüfungsteams unterstreicht die Neufassung noch einmal die Stellung der Konzernabschlussprüfer*innen: Ihnen obliegt die Verantwortung für die Anwendung des ISA 600 (Revised), und sie sind für die Anleitung und Beaufsichtigung der Teilbereichsprüfer*innen und die Durchsicht der Arbeitspapiere zuständig. Eine geänderte Definition des Begriffs „Teilbereich“ ermöglicht es den Konzernabschlussprüfer*innen hierbei, Teilbereiche sachgerechter abzugrenzen. Die Konzernabschlussprüfer*innen sind darüber hinaus für die Art, die zeitliche Einteilung und den Umfang der Prüfungshandlungen verantwortlich. Zudem liegt die Entscheidung darüber, in welchen Teilbereichen geprüft wird, ausschließlich bei ihnen.
Der ISA 600 (Revised) betont die Verantwortung der Konzernabschlussprüfer*innen, sich ein ausreichendes Verständnis vom Konzern und seinem Umfeld, den maßgebenden Rechnungslegungsgrundsätzen und dem Internen Kontrollsystem (IKS) des Konzerns als Grundlage für die Risikobeurteilung zu verschaffen. Zudem müssen die Konzernabschlussprüfer*innen die Identifizierung und Beurteilung der Risiken wesentlicher falscher Darstellungen im Konzernabschluss übernehmen, auch in Bezug auf den Konsolidierungsprozess. Der ISA 600 (Revised) verpflichtet die Konzernabschlussprüfer*innen dazu, die Beurteilung der Risiken, die Prüfungsstrategie und die Arbeit der Teilbereichsprüfer*innen detaillierter zu dokumentieren. Das soll die Transparenz gegenüber Aufsichtsbehörden erhöhen und die Nachvollziehbarkeit der Prüfung verbessern.
Anpassung des Standards an deutsche Besonderheiten
Das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) hat den ISA 600 (Revised) noch einmal zusätzlich überarbeitet, um den Standard an nationale Besonderheiten anzupassen. So berücksichtigt der ISA [DE] 600 (Revised) das deutsche Handelsrecht, insbesondere die Vorschriften des Handelsgesetzbuchs sowie die berufsrechtlichen Regelungen für Wirtschaftsprüfer*innen. Dabei werden nationale Besonderheiten der Abschlussprüfung in Deutschland in den Standard eingebunden. Das IDW gibt zudem ergänzende Hinweise und formuliert Anpassungen, die speziell für die deutsche Prüfungspraxis relevant sind. Der ISA [DE] 600 (Revised) enthält zudem Begriffserklärungen, um die Konsistenz mit anderen deutschen Prüfungsstandards sicherzustellen.
Welche Herausforderungen ergeben sich für die Abschlussprüfer*innen durch die Tochtergesellschaften von Konzernen?
Bei internationalen Konzernen wird immer wieder mit verschiedenen Währungen gearbeitet. Von daher ist es nötig, dass beim Abschluss alles in eine Konzernwährung, beispielsweise in Euro, umgerechnet wird. Hier gilt es für die Abschlussprüfer*innen darauf zu achten, dass die Währungsumrechnungen nach korrekten Methoden erfolgt sind. Herausforderungen können auch auftreten, wenn die Tochtergesellschaften eine Vielzahl unterschiedlicher IT-Systeme im Einsatz haben und die IT-Landschaft innerhalb des Konzerns somit nicht homogen ausgestaltet ist. In einem solchen Fall sollten sich Prüfer*innen auf Schnittstellenthematiken und Herausforderungen bei der Datenübertragung einstellen. Darüber hinaus ist es eine wesentliche Aufgabe der Konzernabschlussprüfer*innen, die große Anzahl von Buchungen und internen Transaktionen der Konzerne zu prüfen, beispielsweise im Rahmen von Stichproben.
Bei Unternehmenserwerben müssen Prüfer*innen ganz genau hinsehen
Was gilt es zu beachten, wenn der Konzern im Berichtszeitraum ein anderes Unternehmen erworben hat?
Einer der relevantesten Aspekte ist dabei der Erstkonsolidierungszeitpunkt. Kommt es zu einer zu frühen oder zu späten Erstkonsolidierung, fehlen im Zweifel ganze Monate in der Gewinn- und Verlustrechnung (GuV), oder aber es sind deutlich zu viele Monate enthalten, was eine Fehlerhaftigkeit fast aller Bilanz- und GuV-Posten nach sich zieht. Die Abschlussprüfer*innen müssen daher sicherstellen, wann der maßgebliche Zeitpunkt war, zu dem der Konzern die Beherrschung über das neu erworbene Unternehmen erlangt hat. Einen weiteren wichtigen Aspekt stellt die dabei durchzuführende sogenannte „Kaufpreisallokation“ oder auch PPA (Purchase Price Allocation) dar. Hierbei geht es zunächst darum, den Gesamtkaufpreis zu ermitteln, den der Konzern für den Erwerb des Unternehmens gezahlt hat. Das ist keinesfalls trivial, da die Unternehmen bei Übernahmen oft mit komplexen Gestaltungen wie variablen Kaufpreisbestandteilen arbeiten, sogenannten „Earn-Outs“.
Im Anschluss werden die erworbenen Vermögenswerte und übernommenen Schulden bewertet. Hierbei ist es wichtig, sowohl materielle als auch immaterielle Vermögenswerte zu berücksichtigen und diese zum „beizulegenden Zeitwert“ zu bewerten. Letzterer soll, vereinfacht gesagt, den aktuellen Marktwert der Vermögenswerte darstellen. Da die Verfahren komplex sind, binde ich bei solchen Transaktionen oft Expert*innen ein, beispielsweise Bewertungsspezialist*innen.
Bei Übernahmen liegt der Kaufpreis des erworbenen Unternehmens oft über dem Marktwert der einzelnen erworbenen Vermögensgegenstände – wie wird dieses „Delta“ bilanziert?
Ein wesentlicher Aspekt ist hierbei die Berechnung des Goodwills. Der Goodwill ergibt sich als Differenz zwischen dem Gesamtkaufpreis und dem beizulegenden Zeitwert der identifizierten Vermögenswerte und Schulden. Es handelt sich also um eine Restgröße. Im Rahmen der Folgebewertung ist es meine Aufgabe als Wirtschaftsprüfer, die Werthaltigkeit des Goodwills sicherzustellen. Dazu gehört es, dass ich auch die sogenannten Werthaltigkeitstests prüfe, welche die Unternehmen durchführen müssen, um die Bewertung des bilanzierten Goodwills einschätzen zu können. Als Abschlussprüfer evaluiere ich hierbei die Angemessenheit der Bewertungsmethoden, die zugrunde liegenden Annahmen und die Berechnungen. Ich muss also sicherstellen, dass der Goodwill korrekt bewertet ist. Insbesondere bei kapitalmarktorientierten Unternehmen führen ein Unternehmenserwerb sowie die Prüfung der Werthaltigkeit des Goodwills im Zuge der Abschlussprüfung oft zu einer gesonderten Berichterstattung als „Key Audit Matter“.
Welche Fähigkeiten sind für Prüfer*innen besonders wichtig, wenn sie sich den genannten Herausforderungen stellen wollen?
Die Fähigkeit zur Planung und Koordination sind das A und O bei der Prüfung internationaler Konzerne. Neben den fachlichen und organisatorischen Skills ist es für Abschlussprüfer*innen im internationalen Umfeld zudem essenziell, über eine ausgeprägte interkulturelle Kompetenz zu verfügen. So müssen die Konzernabschlussprüfer*innen eine hohe Sensibilität für kulturelle Unterschiede und die jeweilige Business-Etikette eines Landes mitbringen. Ihre interkulturelle Kompetenz ermöglicht es ihnen, effektiv und respektvoll mit internationalen Mandanten und den Teilbereichsprüfer*innen zu kommunizieren und so eine erfolgreiche Zusammenarbeit sicherzustellen. Dass sehr gute Englisch-Kenntnisse unabdingbar sind, muss daher nicht eigens betont werden.
Abschlussprüfungen sind im Kern ein „People Business“: Die Prüfer*innen müssen in der Lage sein, den verschiedenen Interessensgruppen die Ergebnisse der Abschlussprüfung klar und präzise darzulegen – dazu gehören auf Mandantenseite auch der Chief Financial Officer und die Mitglieder des Aufsichtsrats. Die Fähigkeit, komplexe Sachverhalte verständlich und überzeugend zu kommunizieren, ist unerlässlich für den Erfolg der Prüfung und die Vertrauensbildung bei den Stakeholdern.
Herr Riedel, vielen Dank für das Gespräch.
Dieses Interview ist Teil einer Serie über verschiedene Mandantengruppen in der Wirtschaftsprüfung. Expert*innen von Forvis Mazars berichten in diesem Rahmen über die speziellen Anforderungen der Mandanten, prüferische Besonderheiten und ihre Erfahrungen mit den jeweiligen Persönlichkeiten. Bisher erschienen:
Private Equity Audit: Vom Deal zum Exit
Audit von EU-PIEs: Die Königsdisziplin der Wirtschaftsprüfung
Inhabergeführte Unternehmen: Auf das große Ganze kommt es an
Audit von Banken: Im Netz der Regularien
Audit im Healthcare-Bereich: „Blut sollte man sehen können“
Audit von Versicherungen: Teamwork wird groß geschrieben
„Audits in der Automobilbranche sind immer Teamarbeit“
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