PIE-Prüfungsmarkt: konzentriert, obwohl (eigentlich) reformiert
Auch rund sieben Jahre nach der „EU Audit Reform“ ist der Markt für Abschlussprüfungen von kapitalmarktorientierten Unternehmen stark konzentriert. Zu diesem Ergebnis kommt eine aktuelle Studie des F.A.Z.-Instituts im Auftrag von Mazars in Deutschland.
„Abschlussprüfung in Europa: Public Interest Entities (PIEs) – Marktstrukturen in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich“ analysiert die Wettbewerbssituation auf dem PIE-Prüfermarkt. Die Studie stützt sich auf Kennzahlen aus dem Jahr 2020. Sie dokumentiert, wie sich die unterschiedlichen Regulierungen in den drei Ländern auf die Marktanteile der 14 umsatzstärksten Prüfungsgesellschaften ausgewirkt haben.
Wie steht es also um die Vielfalt des Prüfermarktes in Europa? Wie viele PIE-Prüfungsgesellschaften gibt es überhaupt? Wo sind die Big 4 besonders stark? Haben die Next 6 überhaupt eine Chance mitzumischen? Und wenn ja, wie?
PIEs sind ein großer Wirtschaftsfaktor
Zu Unternehmen von öffentlichem Interesse gehören gemäß EU-Definition alle an regulierten Märkten notierte Unternehmen sowie Kreditinstitute und Versicherungen. Die EU-Definition wurde in Deutschland, Frankreich und im Vereinigten Königreich mit leichten Unterschieden umgesetzt. PIEs tragen in erheblichem Maß zur Bruttowertschöpfung bei, bilden die tragende Säule der Kapital- und Finanzmärkte und sind damit für die wirtschaftliche Stabilität entscheidend.
Die meisten PIEs hat die Studie im Vereinigten Königreich identifiziert, nämlich 1.659, verglichen mit 1.566 in Frankreich und 980 in Deutschland. Ein anderes Bild zeigt der Blick auf die Anzahl der Prüfungsgesellschaften, die Abschlussprüfungen bei PIEs durchführen: Frankreich kommt auf 256, Deutschland hat 65 und im Vereinigten Königreich konnte die Studie nur 26 PIE-Prüfungsgesellschaften ermitteln.
PIE-Prüfung in Deutschland: Big 4 weit vorne
In Deutschland haben die Big 4 im Jahr 2020 insgesamt – Beratungsleistungen eingeschlossen – einen Umsatz von 8,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht einem Anteil von 84 Prozent am Gesamtumsatz der Top 14 (Big 4 plus Next 10). Der Gesamtumsatz der Next 10 lag bei 1,6 Milliarden Euro, ihr Marktanteil damit bei nur 16 Prozent.
Die Verteilung der PIE-Mandate gestaltet sich dementsprechend unausgewogen: 698 von insgesamt 980 deutschen PIEs (oder rund 71 Prozent der PIEs) werden von den Big 4 geprüft. Die Next 10 vereinen 183 Mandate auf sich und prüfen damit nur rund 19 Prozent der deutschen PIEs.
Besonders auffällig ist die starke Konzentration bei der Prüfung der börsennotierten PIEs – häufig Umsatzschwergewichte. Die 381 an einem regulierten Markt gelisteten deutschen Unternehmen von öffentlichem Interesse setzten im Jahr 2020 insgesamt 1,8 Billionen Euro um. Von diesen 381 Unternehmen wurden 240 von den Big 4 geprüft. Die Mandant*innen der Big 4 kamen auf einen Umsatz von insgesamt 1,76 Billionen Euro. Zum Vergleich: Die PIEs, die ihr Testat von den Next-10-Unternehmen erhalten haben, erwirtschafteten nur 15 Milliarden Euro. Das entspricht gerade einmal 1 Prozent des Umsatzes aller Börsen-PIEs.
Auch bei der Prüfung von Kreditinstituten spielen die Next 10 in Deutschland nur eine untergeordnete Rolle: Die größten zehn PIE-Kreditinstitute, darunter Deutsche Bank, DZ Bank und Commerzbank, werden von den Big 4 geprüft. Ihr Marktanteil in diesem Segment liegt bei 93 Prozent. Ganz ähnlich verhält es sich im Versicherungssektor.
Vereinigtes Königreich: stärkste Konzentration im Ländervergleich
Im Vereinigten Königreich ist die Vormachtstellung der Big 4 am stärksten ausgeprägt. Sie teilen sich den größten Teil des Kuchens, während die Next 10 über deutlich kleinere Marktanteile verfügen. Die britischen Ableger von Deloitte, EY, KPMG und PwC machten 2020 insgesamt rund 14 Milliarden Euro Umsatz. Die Next 10 kamen dagegen zusammen nur auf 2,4 Milliarden Euro. Bei einem Gesamtumsatz von 16,4 Milliarden Euro halten die Big 4 damit einen Marktanteil von 85 Prozent, bei den Next 10 sind es nur 15 Prozent.
Frankreich: Marktvielfalt durch verpflichtende Joint Audits
Im Vergleich zu Deutschland und dem Vereinigten Königreich sind die Next 10 in Frankreich deutlich stärker positioniert. Zusammen erzielten die Big 4 im Jahr 2020 einen Gesamtumsatz von 4,3 Milliarden Euro. Die Next 10 erwirtschafteten insgesamt 1,7 Milliarden Euro. Daraus ergibt sich für die Big 4 ein Marktanteil von 72 Prozent, die Next 10 kommen auf 28 Prozent.
In Frankreich sind Gemeinschaftsprüfungen („Joint Audits“) für Unternehmen von öffentlichem Interesse seit 1966 verpflichtend. Bei einem Joint Audit gilt das Vier-Augen-Prinzip: Zwei voneinander unabhängige Prüfungsgesellschaften prüfen die Zahlen gemeinsam und testieren den geprüften Abschluss gemeinschaftlich. Joint Audits stärken damit nicht nur die Qualität einer Abschlussprüfung – vier Augen sehen bekanntlich mehr als zwei –, sie fördern auch die Vielfalt. Die 256 französischen PIE-Prüfer bestätigen das.
Die Reform der Reform
Die Bilanzskandale der letzten Jahre haben gezeigt, dass die Qualität der Abschlussprüfung und die Vielfalt auf dem Prüfermarkt erhöht werden müssen. Damit steigt der Reformdruck. Brüssel hat die Weichen gestellt: Seit dem 12. November 2021 läuft ein Konsultationsverfahren zur Vorbereitung einer neuen Audit-Reform in Europa. Die öffentliche Konsultation endet am 18. Februar 2022. Der Prozess kann in ein Gesetzgebungsverfahren münden. Bleibt zu hoffen, dass es am Schluss für den europäischen PIE-Prüfermarkt heißt: Dieses Mal hat die Reform funktioniert!
Lesen Sie dazu auch den Blog-Beitrag „Startschuss für eine neue Audit-Reform in Europa“.
Für weitere Themen rund um die Wirtschaftsprüfung und Mazars folgen Sie uns auch auf LinkedIn, X und XING.
Kommentare