Wie prüft man Nachhaltigkeit?
Durch die Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) fällt Wirtschaftsprüfer*innen ein neuer Aufgabenbereich zu: die Prüfung der Nachhaltigkeitsberichte aus den Unternehmen. Doch welche Kenntnisse braucht es dazu? Welche Fortbildungsmöglichkeiten gibt es? Das erklärt die ESG-Audit-Expertin Yvonne Meyer im Interview.
Die CSR-Richtlinie dürfte schon bald in deutsches Recht umgesetzt werden. Der Referentenentwurf zur Umsetzung der Richtlinie liegt vor. Ist mittlerweile klar, wer die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen in Deutschland prüfen wird?
Yvonne Meyer, Partnerin bei Forvis Mazars: Die CSR-Richtlinie sieht drei Personengruppen für die Prüfung vor: Die Abschlussprüfer*innen des jeweiligen Unternehmens, andere Wirtschaftsprüfer*innen und unabhängige Prüfungsdienstleister. Im deutschen Referentenentwurf ist die gesetzliche Prüfung dem Berufsstand der Wirtschaftsprüfer*innen vorbehalten – aus meiner Sicht eine sinnvolle Entscheidung. Unternehmen können wählen zwischen einer integrierten Prüfung oder einer getrennten Beauftragung von Abschlussprüfung und Prüfung des Nachhaltigkeitsberichts.
Was spricht aus Ihrer Sicht für den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer*innen?
Bei der Nachhaltigkeitsberichterstattung geht es im Wesentlichen um soziale und ökologische Themen und die damit im Zusammenhang stehenden finanziellen Risiken und Chancen für Unternehmen. Insbesondere in Bezug auf die ökonomischen Implikationen bringen Wirtschaftsprüfer*innen mit Abstand die beste Expertise ein. Bei Bedarf können Nachhaltigkeitsspezialist*innen zu prüfungsrelevanten Fragestellungen hinzugezogen werden. Neben dieser wirtschaftlichen Einordnung sind es aber auch die eingeübten Prüfungsmethoden, die Wirtschaftsprüfer*innen für diese Aufgabe prädestinieren. Nehmen wir als Beispiel den risikoorientierten Ansatz, an dem sich Wirtschaftsprüfer*innen bereits in anderen Kontexten orientieren. Er eignet sich auch für die Prüfung von Nachhaltigkeitsberichten und wird dafür sorgen, diese für die Mandanten möglichst ressourcenschonend durchzuführen. Mit der Prüfung aus einer Hand werden Doppelarbeiten vermieden und Inkonsistenzen erkannt.
Dürfen Wirtschaftsprüfer*innen also einfach so die Nachhaltigkeitsberichte der Unternehmen auditieren?
Nein, so einfach ist es nicht. Für die Durchführung der gesetzlichen Prüfung eines Nachhaltigkeitsberichts ist nach dem Referentenentwurf im Berufsregister der Eintrag einer Zusatzqualifikation erforderlich. Wir nennen es etwas ironisch „Wirtschaftsprüfer-Plus“. Wirtschaftsprüfer*innen sowie solche, die sich im Zulassungsverfahren befinden, können sich durch eine umfassende Fortbildung qualifizieren. Mit der Zeit wird dieser Wirtschaftsprüfer-Plus aus unserer Sicht der neue Branchenstandard werden. Wer dann kein Wirtschaftsprüfer-Plus ist, ist ein Wirtschaftsprüfer-Minus.
Wie kann man sich zum Wirtschaftsprüfer-Plus fortbilden?
Wenn die Wirtschaftsprüfungsgesellschaften über entsprechendes Know-how verfügen, können sie diese Fortbildungen inhouse anbieten. Andere Prüfer*innen haben die Möglichkeit, eine externe Schulung zu absolvieren, beispielsweise beim Institut der Wirtschaftsprüfer. Da wir bei Forvis Mazars die notwendigen Kompetenzen und personellen Ressourcen aufgebaut haben, stand für uns früh fest, dass wir das Thema intern angehen.
Fortbildungs-Pflicht für alle Wirtschaftsprüfer*innen
Wie weit sind Sie hierbei?
Die Schulung ist bereits im April dieses Jahres angelaufen und wird Ende September abgeschlossen sein. Sie ist als 60-stündiges Pflicht-Curriculum mit Erweiterungsmodulen angelegt, was bedeutet, dass alle 160 Wirtschaftsprüfer*innen von Forvis Mazars in Deutschland daran teilnehmen. Wir haben uns für diesen umfassenden Ansatz entschieden, weil wir glauben, dass Wirtschaftsprüfer*innen die Werthaltigkeit ihres Titels nur so gewährleisten können. Zudem geben wir damit ein Commitment gegenüber unseren Mandanten ab. Auch wenn später nicht alle unsere Wirtschaftsprüfer*innen tatsächlich Nachhaltigkeitsberichte prüfen, so werden sie doch gute Sparringspartner*innen für die Mandanten sein, wenn es um dieses Thema geht. Der Nachhaltigkeitsbericht rückt auf Augenhöhe der Finanzberichterstattung, und wir entsprechen dieser Entwicklung durch die Zusatzqualifikation unserer Prüfer*innen.
Wie ist das Schulungsprogramm strukturiert?
Unser Programm sieht vier bis fünf Schulungsstunden pro Monat vor. Diese finden online statt, da unsere Prüfer*innen über das ganze Bundesgebiet verteilt sind. Dabei setzen wir sowohl auf Schulungsmodule, die zum Download bereitstehen, als auch auf virtuelle Präsenztermine. Hier und auch in den regelmäßigen Update-Calls, die wir einmal im Monat anbieten, haben die Teilnehmer*innen die Möglichkeit, Fragen zu stellen und Inhalte zu diskutieren. Zum Abschluss des Programms sind zwei volle Tage für eine analoge Präsenzschulung mit Workshop-Charakter vorgesehen. Dass die Prüfer*innen die digitalen Module tatsächlich durcharbeiten, halten wir im Übrigen durch Tracking-Software nach.
Hört sich nach einem zeitintensiven Programm an …
Es ist richtig, dass die Kalender der meisten Wirtschaftsprüfer*innen bereits ziemlich voll sind. So gesehen, ist die Schulung natürlich auch eine Zusatzbelastung. Umso mehr hat uns das große Interesse und das positive Feedback überrascht. Für viele ist die Schulung nicht Pflicht, sondern Kür.
Um welche Themen geht es bei der Fortbildung?
Das Curriculum beruht auf vier Säulen, die bereits durch die CSR-Richtlinie festgelegt sind: Grundlage ist ein allgemeiner Kontext Nachhaltigkeit einschließlich Nachhaltigkeitsanalyse und Due-Diligence-Prozesse zu Nachhaltigkeitsaspekten. Es folgen die Anforderungen zur Erstellung, also die European Sustainability Reporting Standards, die EU-Taxonomie und die Anforderungen an Prüfung mit begrenzter Sicherheit. Wenn man bedenkt, dass die Ausbildung zum*zur Wirtschaftsprüfer*in im Wesentlichen auf den Themen BWL, Steuern und Recht beruht, sieht man schnell, dass hier eine Menge Neues auf die Prüfer*innen zukommt. Im Raum stehen so auf einmal Fragen wie: Welche Menschenrechtsverstöße gibt es überhaupt? Wie sind diese einzuordnen? Sich dieses Wissen anzueignen, das macht die Herausforderung aus. Aber das sind Schwierigkeiten in der Initialphase – auf lange Sicht werden die Wirtschaftsprüfer*innen in der Lage sein, souverän mit diesen Themen umzugehen.
Sustainability als Bestandteil des Wirtschaftsprüfer-Examens?
Die Fortbildung etablierter Wirtschaftsprüfer*innen ist das eine, doch wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Sollte die Prüfung von Sustainability Reportings zur grundsätzlichen Ausbildung von Wirtschaftsprüfer*innen gehören?
Dies ist eine Frage, über die aktuell europaweit diskutiert wird. Mit Blick auf Deutschland gibt der Referentenentwurf eine Antwort darauf. Demnach bleibt die traditionelle Ausbildung zum*zur Wirtschaftsprüfer*in in seiner aktuellen Form bestehen. Für künftige Examenskandidat*innen ist die Ablegung eines freiwilligen weiteren Moduls beim Wirtschaftsprüferexamen vorgesehen. Damit wird es auch in Zukunft eine Unterscheidung geben zwischen Wirtschaftsprüfer*innen mit und ohne Zulassung für gesetzliche Prüfungen von Nachhaltigkeitsberichten.
Eine gute Regelung?
Ich würde mich der Stellungnahme der Wirtschaftsprüferkammer (WPK) zu diesem Thema anschließen: Es macht keinen Sinn, Wirtschaftsprüfer*innen auszubilden, ohne den Bereich der Nachhaltigkeitsberichterstattung zu berücksichtigen. Nachhaltigkeitsaspekte werden in Zukunft immer relevanter bei der Beurteilung von Unternehmen werden. Die Trennung von finanzieller und nachhaltigkeitsbezogener Berichterstattung wird uns schon bald als künstlich und nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Unseren Wirtschaftsprüfer*innen muss daher ein holistischer Blick auf das Thema vermittelt werden – damit sollten wir am besten bereits im Studium beginnen.
Was macht Sie so sicher, dass Nachhaltigkeitsthemen in Zukunft diese Bedeutung zukommt?
Mit Ausnahme von Teilen des Lageberichts bildet der Abschluss im Wesentlichen Vergangenes ab. Die Kritik am Abschluss war daher seit jeher, dass er einer Fahrt mit Blick in den Rückspiegel gleichkomme. Das ändert sich jetzt durch die Nachhaltigkeitsberichte, denn diese räumen der Prognoseberichterstattung einen deutlich höheren Stellenwert ein. Es werden nun finanzielle Risiken und Chancen des jeweiligen Unternehmens in einem Zeitrahmen von bis zu zehn Jahren sichtbar. Unternehmen müssen beispielsweise auch konkrete Investitionspläne für den Übergang zu einer nachhaltigen Wirtschaft offenlegen. Da diese erweiterte Berichterstattung für die Beurteilung von Unternehmen von hohem Wert ist, wird ihre Bedeutung in Zukunft eher zu- als abnehmen. Umso wichtiger ist es für die Abschlussprüfer*innen, sich darauf einzustellen.
Frau Meyer, vielen Dank für das Gespräch.
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