Zwei Jahre FISG: Was hat sich bei Ausschreibungen geändert?
Das Gesetz zur Stärkung der Finanzmarktintegrität (FISG) hat die Rotation der Abschlussprüfer*innen für Unternehmen von öffentlichem Interesse (Public Interest Entity, PIE) in Deutschland neu geregelt. Das hat auch Auswirkungen auf die Ausschreibungen der Unternehmen – wir zeigen, was sich seit Inkrafttreten des FISG vor zwei Jahren geändert hat.
Seit 1. Juli 2021 gilt für alle rund 1.000 PIEs in Deutschland eine maximale Bestelldauer ihres*ihrer Abschlussprüfer*in von zehn Jahren. Die bis dato bestehende Möglichkeit, die Höchstlaufzeit des Prüfungsmandats auf 20 Jahre oder im Falle eines Joint Audits sogar auf 24 Jahre zu verlängern, entfällt damit. Wie zu erwarten war, hat die Neuregelung zunächst zu einer Zunahme an Unternehmensausschreibungen geführt. So ergibt eine Auswertung des „Bundesanzeigers“ für das Kalenderjahr 2020 rund 57 Ausschreibungen für die Abschlussprüfung von PIEs. Im Jahr 2021 waren es bereits 68 Ausschreibungen, also knapp 20 Prozent mehr. Nach einer nur geringen Steigerung im Jahr 2022 (+5 Prozent) haben die Unternehmen in den ersten acht Monaten des Jahres 2023 bereits 58 Ausschreibungen veröffentlicht. Hochgerechnet auf die vollen zwölf Monate des Kalenderjahres ergeben sich 87 Ausschreibungen – ein Plus von 50 Prozent im Vergleich zu 2020.
Ausschreibungen häufig früher und vor Ablauf des Rotationszeitraums
Dabei sind zwei Besonderheiten zu beobachten. Zum einen schreiben Unternehmen mitunter sehr frühzeitig aus. Zwischen Ausschreibungszeitpunkt und offizieller Bestellung des*der Abschlussprüfer*in durch die Hauptversammlung im zu prüfenden Jahr vergehen zuweilen fast zwei Jahre. So hat beispielsweise die Schaeffler AG bereits im Mai 2023 die Prüfung ihrer Abschlüsse für das Geschäftsjahr 2025 öffentlich ausgeschrieben und ist damit kein Einzelfall. Zum anderen erfolgen Ausschreibungen für Prüfungsjahre vor der eigentlichen Rotationspflicht.
Was ist der Grund für die frühen und vorzeitigen Ausschreibungen der Unternehmen? Offenbar wollen sie sich hierdurch Prüfungskapazitäten in einem zunehmend knappen Markt sichern. Die Unternehmen thematisieren auch häufiger Fragen zu den personellen Kapazitäten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaften in den Ausschreibungsunterlagen – ein weiteres Indiz dafür, dass sich die Unternehmen mit der diesbezüglichen Lage im Prüfermarkt für PIEs beschäftigen. Mit einer frühzeitigen Ausschreibung folgen die Unternehmen zudem den Empfehlungen des Instituts der Wirtschaftsprüfer (IDW) (siehe IDW Positionspapier).
Eine vorzeitige Ausschreibung erfolgt häufig auch aufgrund einer pflichtgemäßen internen Rotation bei den Wirtschaftsprüfungsgesellschaften. Beträgt der Zeitraum zwischen einer internen und externen Rotation nur ein oder zwei Jahre, überlegen viele Unternehmen, vorzeitig auszuschreiben. Vor Inkrafttreten des FISG durfte der*die verantwortliche Wirtschaftsprüfer*in den Abschluss für eine Dauer von sieben Jahren unterzeichnen, seit der Neuregelung ist der Zeitraum auf fünf Jahre begrenzt.
Anforderungen vielfach unspezifisch und standardisiert
Zu beobachten ist zudem eine große Ähnlichkeit der Ausschreibungen mit zum Teil wortgleichen Ausschreibungsunterlagen und Entscheidungskriterien. Die Unternehmen legen hierbei übereinstimmend Wert auf Branchenexpertise sowie Erfahrung in der Prüfung börsennotierter Gesellschaften. Wichtig sind ihnen zudem ein effizienter sowie auf das jeweilige Geschäftsmodell zugeschnittener Prüfungsansatz und ein hoher Digitalisierungsgrad des Prüfungsprozesses. Dies erscheint trivial und vor dem Hintergrund entsprechender Leitfäden des IDW auch plausibel, lässt aber auch vermuten, dass individuelle Anforderungen nur wenig bewusst sind oder sich erst im Verlauf des Prozesses manifestieren. Eine Neigung, vermehrt externe Unterstützung für das Management des Ausschreibungsprozesses in Anspruch zu nehmen, konnte in den letzten zwei Jahren nicht festgestellt werden.
Zwar sind die Kriterien nachvollziehbar, welche die Unternehmen in ihrem Entscheidungsprozess leiten, und sie entsprechen auch den einschlägigen Leitfäden des IDW. Die Ähnlichkeit der Ausschreibungsunterlagen zeigt gleichzeitig aber auch, dass sich viele Unternehmen der prüferischen Anforderungen an ihr spezifisches Unternehmen nur wenig bewusst sind. Abhilfe könnte externe Unterstützung beim Ausschreibungsmanagement schaffen – eine stärkere Inanspruchnahme eines solchen Supports lässt sich in den vergangenen Jahren aber nicht feststellen.
Rotation von Prüfer*innen bewirkt auch Rotation bei Beratungsleistungen
Um die gesetzlichen Unabhängigkeitsvorschriften einzuhalten, muss der*die neue Prüfer*in für das zu prüfende Jahr seine*ihre weltweite Unabhängigkeit erklären oder diese notfalls im Zeitraum bis zur Prüfung herstellen (cooling-in). Für die potenziellen Abschlussprüfer*innen bedeutet dies mitunter, sich von attraktiven Beratungsaufträgen zu trennen. In einigen Fällen betrifft das sogar Beratungsaufträge, die dem Prüfungsjahr vorausgehen, weil auch Vorjahreszahlen Einfluss auf den zu prüfenden Abschluss haben können. Diese Regelungen galten allerdings schon vor Inkrafttreten des FISG.
Das FISG hat die Zulässigkeit von Nicht-Prüfungsleistungen durch Abschlussprüfer*innen noch weiter eingeschränkt – und damit die Anzahl der potenziellen Anbieter für Beratungsleistungen zusätzlich reduziert. Als Nebeneffekt nehmen die Ausschreibungen für Beratungsleistungen zu, die typischerweise von Prüfungsgesellschaften erbracht werden. So lässt sich beobachten, dass PIEs in den vergangenen zwei Jahren vermehrt Steuerberatungsdienstleistungen ausgeschrieben haben. Hierbei wird in vielen Fällen auch explizit der Prüferwechsel als Ausschreibungsgrund genannt. Die Rotationspflicht auf Seiten der Prüfer*innen bewirkt somit also auch eine Rotation im Markt für Beratungsaufträge.
Entscheidung wenig beeinflusst vom Umfang der Beratungsaufträge
Prüfungsgesellschaften wägen in der Regel ihre Beteiligung an einer Ausschreibung sorgfältig ab. Hierbei berücksichtigen sie auch die durch Beratungsaufträge wegfallenden Feevolumina (Umsätze). Auf der anderen Seite scheinen sich die Unternehmen bei der Wahl neuer Abschlussprüfer*innen nicht oder nur in geringem Ausmaß von dem Aufwand beeinflussen zu lassen, der durch Neuausschreibungen von Beratungsaufträgen auf Unternehmensseite entsteht. Das Gegenteil ist oft der Fall: Prüfer*innen, die bereits in beratender Funktion im Unternehmen tätig waren, erhalten oft den Vorzug, da sich Prüfer*innen und Unternehmen bereits kennen. Verstärkt wird diese Entwicklung sicherlich auch durch die eingeschränkte Auswahl an geeigneten und unabhängigen Prüfer*innen, insbesondere dann, wenn es um die Prüfung großer, internationaler Konzerne geht. So sind bei der Prüfung von DAX40- sowie MDAX-Unternehmen im Geschäftsjahr 2023 nur sieben Prüfungsgesellschaften vertreten. Stolze 96 Prozent der Mandate entfallen hierbei auf die Big 4, also auf die vier größten Wirtschaftsprüfungsgesellschaften.
Langfristige Perspektive: Mehr Wettbewerb könnte Vielfalt stärken
Welches Fazit lässt sich nun ziehen? Das FISG hat Unternehmen und Abschlussprüfer*innen vor eine Reihe von Herausforderungen gestellt. So wird die rotationsbedingte Anzahl von Ausschreibungen in den kommenden Jahren weiter hoch bleiben. Zwar haben für das Jahr 2024 bereits zahlreiche Ausschreibungen stattgefunden oder laufen derzeit. Indessen müssen in den Jahren von 2025 bis 2029 noch rund ein Drittel der 160 Unternehmen im DAX40, MDAX und SDAX ihre Abschlussprüfer*innen wechseln. Für diese Unternehmen gilt es, sich frühzeitig und aktiv mit dem Auswahlprozess des*der neuen Abschlussprüfer*in zu beschäftigen. Hierbei sollten die Unternehmen sowohl die Analyse ihrer spezifischen prüferischen Bedürfnisse als auch den aktuellen Mangel an Vielfalt und Verfügbarkeit auf dem Prüfermarkt berücksichtigen.
Um das Angebot im Bereich der Wirtschaftsprüfung zu stärken, wären weitere regulatorische Schritte erforderlich, die den Wettbewerb in diesem Segment fördern und für mehr Vielfalt sorgen. Das dürfte nicht zuletzt im Interesse der Unternehmen liegen, die demnächst ihre*n Abschlussprüfer*in wechseln müssen.
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